Grüne suchen nach einem scharfem Profil
Auf dem Parteitag in Kiel will man auch den Kurs in Sachen Wirtschaft und Finanzen festlegen.
Kiel. An Umfragewerten haben die Grünen eingebüßt, an Kampfgeist nicht. „Weg, weg, weg mit dieser FDP, weg mit dieser Regierung“, ruft Parteichefin Claudia Roth in den aufbrandenden Applaus der 600 Delegierten auf dem Parteitag in Kiel zu. „Wir wollen 2013 an die Macht.“ Doch ob das klappt, daran hegen die Grünen Zweifel. Für die Wunschkonstellation Rot-Grün würde es derzeit nicht reichen.
Deshalb ist viel Klein-Klein angesagt, harte Arbeit, schwere Themen. Von Eurobonds und Bankenregulierung über eine EU-Reform und einen neuen Europäischen Konvent deklinieren die Grünen eine Palette von Instrumenten und Ideen gegen wachsende Euro-Angst und Europa-Skepsis durch. „Jetzt braucht es mehr Europa“, sagt Roth. „Sonst kann aus der Demokratie in Krisenzeiten auch ganz schnell eine Krise der Demokratie werden.“
Mit brüchiger Stimme zählt Roth die Mordopfer der Nazi-Terroristen namentlich auf. „Der Tod dieser Menschen ist eine Tragödie, die man gar nicht beschreiben kann. Es sind keine Döner-Morde, es sind Nazi-Morde, die da passiert sind.“ Deutschland hätte den Opfern Schutz geben müssen.
Die Parteivorsitzende schaltet dann auf Angriff um. Bei der Stärkung der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus — habe die Regierung brutal versagt. In der Steuerpolitik betreibe Kanzlerin Angela Merkel reine Klientelpolitik zugunsten der FDP. Und bei der Bekämpfung der Schuldenkrise, der weltweiten Hungerkrise, der Klimakrise: „In einer Situation, wo so viel auf dem Spiel steht, da leistet sich dieses Land die schlechteste Regierung ever.“
Noch vor einem halben Jahr schossen die Grünen in Umfragen plötzlich auf Werte über 25 Prozent. Da fühlen sich die aktuellen 14 bis 17 Prozent für manche wie eine harte Landung an, auch wenn es bei der vergangenen Bundestagswahl tatsächlich nur 10,7 Prozent waren.
Was tun? Obere Parteistrategen sehen nun die Profilschärfung bei den harten Themen Wirtschaft, Finanzen, Steuern als vordringlich an — bisher keine Bereiche, die zuerst mit den Grünen verbunden werden. Doch für viele Delegierte sind sie zur Herzensangelegenheit geworden.
Sollen Reiche nach dem Vorstandswillen per befristeter Vermögensabgabe mit 100 Milliarden Euro über zehn Jahre zur Kasse gebeten werden? Die Abgabe würde dem Bund zufließen. Oder soll es wieder eine dauerhafte Vermögenssteuer zugunsten der Länder geben, die ebenfalls jährlich bis zu 10 Milliarden Euro bringen soll? Hinter den Kulissen laufen intensive Verhandlungen — ein Kompromiss könnte so aussehen, dass man erstmal einen Prüfauftrag für die Steuer gibt. Am Samstag wird entschieden.