Bewegung in Jamaika-Runde Grüne verzichten auf Enddatum 2030 für Verbrennungsmotor
Berlin (dpa) - Nach den schleppenden ersten Wochen drücken die Jamaika-Sondierer in der entscheidenden zweiten Verhandlungsrunde aufs Tempo. Bewegung in die teils festgefahrenen Gespräche brachten Kompromisssignale der Grünen beim Streitpunkt Klima und Energie.
Grünen-Chef Özdemir hatte in „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ deutlich gemacht, dass seine Seite nicht länger auf dem Ende des Verbrennungsmotors im Jahr 2030 beharrt. Die Co-Vorsitzende Simone Peter deutete in der „Rheinischen Post“ im Ringen um die Kohlepolitik Kompromissbereitschaft an.
Anders als geplant sollen bei den Jamaika-Sondierungen nun schon bis Freitag in kleinen Expertenrunden konkrete Lösungsvorschläge für die zentralen Themen erarbeitet werden. Das kündigten die Parteimanager von CDU, CSU, FDP und Grünen nach ersten Beratungen in der zweiten Sondierungsphase an. Dann soll die große Runde der Unterhändler die Experten-Ergebnisse bewerten und wenn möglich schon einzelne Themenkomplexe abschließen. Bei weiterhin offenen Punkten sind anschließend wieder die Parteichefs gefragt.
Nachdem sich die Verhandlungen zuletzt verhakt hatten und aus der FDP mehrfach das Stichwort Neuwahl gekommen war, hatten sich die Spitzen der Jamaika-Parteien um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montagabend auf die neue Vorgehensweise geeinigt. Die Vorsitzenden erstellten eine mehrere Seiten lange Liste mit ungeklärten Themen. Bei jedem der ursprünglich zwölf Themenkomplexe habe man sich auf fünf bis sechs zentrale Fragen konzentriert, die nun beackert werden.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte vor dem Start der Verhandlungen am Dienstagmorgen gesagt: „Jetzt ist die Zeit des Brückenbauens.“ Bis zum 16. November habe man noch Zeit. „Dann ist Abgabetermin. Und dann kann man schauen, ob das Haus gebaut werden kann.“ Am 16. November wollen die Partner ein gemeinsames Konsenspapier vorlegen, das den jeweiligen Parteigremien ermöglichen soll, grünes Licht für offizielle Koalitionsverhandlungen zu geben.
Grünen-Co-Chef Özdemir sagte: „Jetzt kommt die Woche der Wahrheit.“ Seine Partei habe mit der Absage an einen konkreten Termin für das Aus des Verbrennungsmotors einen ersten Schritt gehen wollen. Man sei nicht dogmatisch. Es gehe um das Ziel von emissionsfreien Autos. Dafür müsse es staatliche Anreize geben. Auf die Frage, ob er mit einem Ja des Grünen-Parteitags am 25. November zum Einstieg in offizielle Koalitionsverhandlungen rechne, sagte Özdemir, notwendig sei dafür ein Gesamtpaket.
FDP-Chef Christian Lindner reagierte positiv auf die Grünen-Signale und kündigte Abstriche bei Forderungen für eine große Steuerreform an. Ihn habe im Übrigen weniger die Ankündigung zum Verzicht auf das strikte Ausstiegsdatum beim Verbrennungsmotor überrascht, da hier bei den Grünen keine Einigkeit bestanden habe. Mit großer Aufmerksamkeit habe er aber registriert, dass sich die Grünen beim Kohleausstieg bewegt hätten. Die FDP ihrerseits habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass es für eine große Steuerreform im Umfang von 30 bis 40 Milliarden Euro keine Mehrheit gebe. Seine Partei konzentriere sich nun auf den Abbau des Solidaritätszuschlages sowie die Entlastung von Familien und kleinen und mittleren Einkommen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt reagierte schroff auf die Grünen-Signale: „Das Abräumen von Schwachsinnsterminen ist noch kein Kompromiss.“ Auf Nachfrage sagte er, er habe sich auf den baden-württembergischen Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann bezogen, der im Juni am Rande des Grünen-Bundesparteitags mit Blick auf das Ziel, ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zuzulassen, gesagt hatte: „Das sind doch Schwachsinnstermine.“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lobte dagegen die Signale der Grünen. „Das ist vernünftig und erleichtert Verständigungen“, sagte er. Zugleich gab er sich beim Thema Migration hart. Über das Unions-Eckpunktepapier zur Eindämmung der Zuwanderung sagte er: „Ich sehe überhaupt keine Absicht, da Abstriche zu machen von dem, was wir zwischen CDU und CSU vereinbart haben.“
Göring-Eckardt betonte, die Grünen würden weiter leidenschaftlich für die Einhaltung der Klimaziele kämpfen, die schon von der großen Koalition beschlossen worden seien. Man sei aber bereit, über andere Wege dorthin nachzudenken. „Es kann nicht so sein, dass der kleinste gemeinsame Nenner und eine weitere Stillstandkoalition jetzt dieses Land regiert.“ Özdemir geht nicht davon aus, dass die Grünen mit einem Wahlergebnis von 8,9 Prozent „es schaffen werden, zu 100 Prozent unsere Handschrift auch in der Mobilitätspolitik durchzusetzen“.
Grosse-Brömer sagte zum weiteren Vorgehen, die in erster Runde erarbeiteten Papiere seien verdichtet worden. Er sei zuversichtlich, dass es am Freitag Arbeitspapiere gebe, „die letztlich die Ergebnisse der Sondierungen darstellen können“ und nochmals von der großen Runde überarbeitet werden müssten. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte: „Wir haben jetzt klare Hausaufgaben für die Kleinstgruppen der Experten.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer betonte, es gehe nun ums „Konkretisieren und Komprimieren“. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte, grundsätzlich gelte: „Es ist nichts vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.“