Heftiger Streit über Rente mit 67 entbrannt

Berlin (dpa) - In der SPD und der gesamten Opposition ist heftiger Streit über eine Aussetzung der Rente mit 67 entbrannt. Angesichts mangelnder Jobs für über 60-Jährige wurden zudem Forderungen nach einer verpflichtenden Quote für Ältere in Unternehmen laut.

Im Einklang mit jüngsten Parteitagsbeschlüssen kündigte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles einen Vorstoß an, die Anhebung des Renteneintrittsalters auszusetzen. Dies solle gelten, bis es genügend Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer gebe, sagte Nahles der „Rheinischen Post“ und dem „Tagesspiegel“. Nach einem Regierungswechsel stehe das klar auf der Tagesordnung.

Wenn CSU-Chef Horst Seehofer es mit seiner jüngsten Kritik an der Rente mit 67 ernst meine, müsse die CSU im Bundestag für eine Gesetzesänderung stimmen. Ein Einstieg in die Anhebung des Renteneintrittsalters ist laut Nahles nur möglich, wenn die 60- bis 64-Jährigen mindestens zu 50 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt seien.

Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie sagte: „Es hat sich gezeigt, dass Ältere am Arbeitsmarkt selbst bei guter Konjunktur benachteiligt sind.“

Nahles bekam aber auch Gegenwind aus ihrer Partei. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte im „Tagesspiegel“: „Die Antwort auf den mathematischen Druck der Demografie kann nicht die ersatzlose Suspendierung der Rente mit 67 sein.“ Der frühere Arbeitsminister Franz Müntefering betonte im Bayerischen Rundfunk, der Arbeitsmarkt sei günstig, und die Unternehmer wüssten, dass sie Ältere bräuchten. „Wenn man jetzt nicht einsteigt, dann kann man fragen: Wann denn sonst noch?“

Die SPD hatte auf ihrem Parteitag im Dezember beschlossen, an der Forderung nach einer Aussetzung der Rente mit 67 festzuhalten. Müntefering hatte dies wiederholt kritisiert.

Linke-Chef Klaus Ernst forderte hingegen, die Rente mit 67 gehöre abgeschafft und nicht ausgesetzt. Brigitte Pothmer, Arbeitsmarktexpertin der Grünen-Fraktion, wandte sich in der „Welt“ dagegen, die Rente mit 67 an die Erfüllung einer Erwerbstätigenquote bei Älteren zu knüpfen. Der Rentenexperte der FDP-Fraktion, Heinrich Kolb, monierte: „Der Versuch der SPD, sich von einem Kernprojekt ihres eigenen Regierungshandelns zu distanzieren, ist langsam nur noch peinlich.“

Nach aktuellen Zahlen hat sich die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen zwischen 2000 und 2010 auf 41 Prozent gut verdoppelt. Bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen - etwa ohne Minijobs - waren es zuletzt aber nur 26,4 Prozent. Zu Neujahr hat der schrittweise Einstieg in die Rente mit 67 begonnen. Wer 2012 seinen 65. Geburtstag feiert, muss einen Monat länger arbeiten, um eine Rente ohne Abzug zu bekommen. Jahr für Jahr erhöht sich dann das Rentenalter um zunächst einen Monat.

Forderungen nach einer Quote für Ältere im Job kamen aus CDU, SPD und Gewerkschaften. „Die Wirtschaft muss über eine Quote verpflichtet werden, eine bestimmte Zahl von geeigneten Arbeitsplätzen für über 60-Jährige vorzuhalten“, sagte der Chef der Senioren-Union, Otto Wulff, der „Bild“-Zeitung. SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner sagte dem Blatt: „Es muss sichergestellt sein, dass mindestens die Hälfte der über 60-Jährigen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sind.“

Franz-Josef Möllenberg, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, sagte dem Blatt: „Eine Oma- und Opa-Quote, die sich an der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen orientiert, könnte helfen, Altersarmut zu verhindern.“

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnte im „Handelsblatt“ vor einem Zurückdrehen bei der Rente mit 67. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte im „Bayerischen Rundfunk“, die Rente mit 67 sei angesichts der demografischen Entwicklung nötig.

Der CDU-Sozialpolitiker Karl-Josef Laumann kritisierte die Arbeitslosenstatistik. Es sei „ein Unding“, dass schwer vermittelbare Hartz-IV-Empfänger ab 58 Jahren nicht als arbeitslos gezählt würden, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.