Interview Hermann Otto Solms will mit 76 noch mal in den Bundestag
Mit 76 Jahren will das FDP-Urgestein noch einmal in das Parlament einziehen:Hermann Otto Solms erklärt, warum er erneut für die Liberalen kandidiert.
Berlin. Die Rekorde des Hermann Otto Solms sind beeindruckend: 33 Jahre Bundestagsabgeordneter, 23 Jahre Schatzmeister der FDP, 15 Jahre Vizepräsident des Bundestages, sieben Jahre Fraktionschef der Liberalen. Den nächsten Rekord will der Hesse im September aufstellen: Dann will er mit 76 Jahren noch einmal in das Parlament einziehen. Warum — das erläutert er im Interview.
Herr Solms, Sie hatten 2013 nicht mehr kandidiert, dann flog die FDP auch noch aus dem Bundestag. Das wäre doch eine ideale Gelegenheit gewesen, um aufzuhören.
Hermann Otto Solms: Ich hatte mit meiner politischen Laufbahn abgeschlossen. Noch am Wahlabend bat mich Christian Lindner (der heutige FDP-Chef, Anm. d. Red.), an der Erneuerung der FDP mitzuwirken und das Amt des Schatzmeisters wieder zu übernehmen. Erst habe ich Nein gesagt. Als ich mir ein Bild von der politisch wie finanziell bedrohlichen Lage für die FDP verschafft habe, habe ich es als Pflicht angesehen, wieder Verantwortung zu übernehmen.
Viele werden sagen: Der kann nicht loslassen, der kann nicht ohne Politik.
Solms: 2013 war die Lage politisch und wirtschaftlich katastrophal. Ausgerechnet hier meine Partei im Stich zu lassen, kam für mich nicht infrage. Und heute kann ich sagen: Es hat sich gelohnt. Finanzen, Mitgliederzahlen und Umfragewerte entwickeln sich sehr positiv.
Ihre Frau war einverstanden?
Solms: Meine Frau war in den Entscheidungsprozess voll eingebunden.
Sie wirken sehr drahtig. Wie machen Sie das?
Solms: Ich sage immer, ich sehe nur aus wie 75, bin aber schon 76. Ich mache Sport, ernähre mich gesund. Das Wichtigste ist: Ich arbeite viel. Das hält jung.
Spielt auch eine Rolle, dass Sie Ihre politische Karriere nicht so beenden wollten, in der außerparlamentarischen Opposition?
Solms: Wenn man wie ich 40 Jahre für eine Partei gearbeitet hat, lässt einen das sicher nicht kalt. Ja, wir haben unsere Anhänger enttäuscht, weil wir die Erwartungen, die wir vor der Wahl geweckt haben, auch wegen des Widerstandes des Koalitionspartners nicht hinreichend erfüllen konnten. Aber dass wir als liberale Partei aus der Politik ausscheiden, das wollte ich nicht auf uns sitzen lassen.
Sie haben für die FDP immer wieder Steuerkonzepte entworfen. Werden Sie damit weitermachen?
Solms: Ich habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir für eine grundsätzliche, umfassende Steuerreform keinen Partner haben. Die CDU hatte 2005 ähnliche Vorstellungen wie wir, hat sich seither aber finanzpolitisch zurückentwickelt und jegliche Wahlversprechen gebrochen. Unabhängig davon treten wir weiterhin für eine Senkung der Steuerbelastung und Vereinfachung des Steuersystems ein. Wir fordern beispielsweise die Abschaffung des Soli, der kalten Progression und der Stromsteuer sowie die Wiedereinführung der degressiven AfA (Absetzung für Abnutzungen, Anm. d. Red.).
Betrübt es Sie, dass die Alterspräsidentenregelung geändert worden ist, sodass Sie es selbst dann nicht werden könnten, wenn die AfD nicht in den Bundestag einzieht?
Solms: Ich halte es für falsch, eine grundsätzliche und seit Langem bewährte Regelung zu ändern, nur um einen bestimmten Alterspräsidenten zu verhindern. Das wertet im Ergebnis die AfD eher auf.
Und wie finden Sie die neue Regelung an sich: Erfahrung soll mehr zählen als das reine Alter.
Solms: Beide Regelungen haben Vor- und Nachteile. Wenn man nur die Dienstzeit als Kriterium nimmt, wäre Wolfgang Schäuble schon seit mehreren Legislaturperioden Alterspräsident, weil er schon lange der dienstälteste Abgeordnete ist. Gibt es immer nur denselben Alterspräsidenten, solange er nicht ausscheidet, dann ist das auch nicht sinnvoll.
Sie haben sich ein Leben lang für Liberalität und Demokratie eingesetzt. Macht Ihnen die derzeitige Entwicklung Sorge?
Solms: Die Demokratie sehe ich nicht gefährdet, im Gegenteil: In der jungen Generation wächst wieder das Bewusstsein für die Errungenschaften der Demokratie. Gerade sie darf aber auch erwarten, dass wir uns der Zukunftsprobleme annehmen. Sorge macht mir, dass sich zu viele der politisch Verantwortlichen trotz der Herausforderungen wie Demografie, Digitalisierung, Klimawandel und der europäischen Entwicklung zurücklehnen und sich mit der Verteidigung des Besitzstandes zufriedengeben.