Berlin Im CDU-Vorstand fliegen die Fetzen

Berlin · Nach der Wahlniederlage in Thüringen sucht die Partei nach Schuldigen. Auch über die Mitverantwortung von Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende wird diskutiert.

Die angeschlagene CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer verfolgt mit bedrückter Mine die Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstand.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Harmonisch ist wohl etwas anderes. Im CDU-Vorstand flogen am Montag die Fetzen. Nicht nur über die Frage, ob man in Thüringen mit den Linken sprechen darf oder nicht. Sondern auch über die Mitverantwortung der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer an dieser weiteren krachenden Wahlniederlage. Die CDU-Chefin wurde erstmals sogar direkt als künftige Kanzlerkandidatin der Union infrage gestellt.

Junge Union-Chef Tilman Kuban forderte sie auf, Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur voneinander zu trennen. Entsprechende Informationen wurden per Textnachricht aus der vertraulichen Sitzung lanciert. Kramp-Karrenbauer reagierte ziemlich angefasst, als sie darauf in der Pressekonferenz angesprochen wurde. Ja, sagte sie sarkastisch, sie könne bestätigen, was alle im „Live-Ticker“ ja schon verfolgt hätten. Es habe diese Frage gegeben. Ihre Antwort: Als sie 2018 Vorsitzende geworden sei, habe sie bereits darauf hingewiesen, dass Kanzleramt und CDU-Vorsitz in einer Hand liegen sollten. Wer es anders wolle, habe beim Parteitag in drei Wochen dazu ja Gelegenheit.

Rumms. Eine klare Kampfansage an Kuban und andere Kritiker. Vor allem an ihren ewigen Konkurrenten Friedrich Merz, der sich gleich am Morgen höchst alarmiert über das Thüringer Ergebnis geäußert hatte. Scheinbar ganz uneigennützig. „Das kann die Union nicht mehr ignorieren  oder einfach aussitzen“.  AKK macht im Gegenzug die anhaltende Debatte um ihren Führungsanspruch sogar mitverantwortlich für das Thüringer Desaster. Aus Berlin habe es von beiden Regierungsparteien keinen Rückenwind für Thüringen gegeben, sagte sie.

Ein Viererbündnis wird es laut FDP nicht geben

Als ob das nicht gereicht hätte, gab es noch eine zweite, noch umkämpftere Front: Die Frage des Umgangs mit den Linken. Schon morgens ließ sich Spitzenkandidat Mike Mohring mit der Aussage vernehmen, er brauche „das Vertrauen und die Freiheit“, mit Wahlsieger Bodo Ramelow reden zu können. „Die CDU in Thüringen ist bereit für Verantwortung, wie auch immer die aussehen kann und sollte“, sagte Mohring. Hintergrund: Eine Koalition oder Tolerierung zwischen Linken und CDU ist eine von nur zwei Regierungsmöglichkeiten. Die andere, ein Viererbündnis aus Linken, SPD, Grünen und FDP machte FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich bei seinem Auftritt in Berlin sofort zunichte. Das werde es nicht geben.

Mohrings Ankündigung brachte die Unions-Gemüter in Wallung. Wenn die CDU auch mit AfD und Linken zusammenarbeiten könne, „dann wären wir überflüssig“, sagte Parteivize Julia Klöckner. Jetzt sei Haltung gefragt. Ähnlich Carsten Linnemann von der Mittelstandsvereinigung: „Das wäre der Anfang vom Ende der CDU“. Er werde dafür sorgen, dass dieses Thema jetzt gleich im Vorstand geklärt werde. Sprach’s und entschwand aufgebracht.

Es gab eine salomonische Lösung. Kramp-Karrenbauer ließ auf Antrag von Linnemann in der Sitzung einen Parteitagsbeschluss vom letzten Jahr bekräftigen, wonach die CDU  „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD ablehnt“. Und Mohring darf trotzdem mit Ramelow reden. Einer Einladung nachzukommen, sei doch eine Selbstverständlichkeit, sagte Kramp-Karrenbauer dazu. „Alles andere werde die nächsten Wochen zeigen“. Mohring sagte, er gehe „mit offenem Herzen“ in die Gespräche. Nur einen Ausgang schloss er aus: Dass die „abgewählte“ Regierung aus Linken, SPD und Grünen von der CDU toleriert werde. Der Konflikt ist also zunächst nur aufgeschoben, bis Mohring mitteilt, wie er weiter verfahren will.

Dass auch die zweite Groko-Partei, die SPD, am Sonntag verloren hat, konnte man daran sehen, dass deren kommissarische Vorsitzende Malu Dreyer, genau wie Kramp-Karrenbauer, in Schwarz vor die Kameras trat. Sicher Zufall. Bei den Sozialdemokraten hatte man die 8,2 Prozent aber schon eingepreist. Wenn Anfang Dezember die neue Spitze gewählt und die Entscheidung über die Bilanz der großen Koalition gefällt sei, werde es wieder vorangehen, machte Dreyer den Genossen Mut.