In CDU-Kursdebatte jetzt direkte Kritik an Merkel
Berlin/Stuttgart (dpa) - In der internen Debatte um den Kurs der Union werden jetzt Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich Vorhaltungen gemacht. Baden-Württembergs CDU-Fraktionschef Peter Hauk warf ihr Kurzatmigkeit vor.
Der frühere CDU-Spitzenpolitiker Bernhard Vogel forderte Merkel auf, Führungsstärke zu zeigen. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende und Vertraute der Kanzlerin, Bildungsministerin Annette Schavan, wies hingegen Forderungen zurück, die Union solle sich wieder stärker auf ihre traditionellen Werte und auf die Stammwähler konzentrieren.
Hauk sagte der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart, der Modernisierungskurs der CDU-Bundesvorsitzenden sei zwar grundsätzlich in Ordnung. „Aber sie bleibt nicht konsequent dabei, sondern verlässt öfter einfach die Baustelle.“ Als Beispiel nannte er die Debatte über Energiepolitik und Klimaschutz. „Vor drei Jahren war sie noch die "Klimakanzlerin". Wo ist das geblieben?“ Wenn die Kanzlerin am Thema Klimaschutz konsequent drangeblieben wäre, hätte sie aus Sicht von Hauk in der Diskussion um die Energiewende davon zehren können.
Stattdessen habe sie nach der Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima einfach das Ruder herumgerissen, ohne die Partei einzubeziehen. „Das war nicht nötig, dass man das übers Knie bricht“, kritisierte der Fraktionschef. Hinzu komme, dass die Kanzlerin diesen Schwenk nicht hinreichend erklärt habe. „Das führt zu mangelnder Glaubwürdigkeit und Profillosigkeit.“
Der 50-jährige CDU-Politiker stieß damit ins gleiche Horn wie der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel und andere CDU-Politiker, die die abrupte Abkehr der Partei von zentralen Positionen kritisiert hatten - meist ohne Merkel direkt zu nennen.
Vogel, der lange sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Thüringen Ministerpräsident war, fordert die Parteichefin auf, an ihren Grundüberzeugungen festzuhalten. „Dazu gehört auch, nicht nur auf die Wähler zu hören, sondern zu führen und sie von als notwendig erkannten Zielen zu überzeugen“, sagte er dem „Handelsblatt“ (Montag). Er kritisierte ebenfalls die Art und Weise, wie Merkel Kurswechsel vornehme. „Ich empfehle, dass wir uns Zeit nehmen, nicht nur dringende Entscheidungen zu treffen, sondern sie länger und gründlicher zu begründen.“
Schavan sagte der „Bild am Sonntag“ zum derzeit schlechten Erscheinungsbild der Union: „Wenn wir unsere eigenen Entscheidungen ständig kritisieren, dann ist doch klar, dass das Erscheinungsbild dieser Regierung und damit auch der Union nicht das beste ist.“ Die Union brauche sowohl Stammwähler als auch Wechselwähler. „Mit Stammwählern alleine kommen wir nicht wieder auf 40 Prozent plus X.“
Schavan lehnte ein Vorziehen des für November geplanten CDU-Bundesparteitages ebenso ab wie eine Änderung des geplanten Schwerpunkts Bildungspolitik. „Den Parteitag vorzuziehen würde doch bedeuten, der Basis die Möglichkeit zu nehmen, vorher auf Regional- und Bildungskonferenzen zu diskutieren. Ich will das Gegenteil: Eine umfassende Beteiligung der Basis und erst dann eine Entscheidung in den Gremien und auf dem Parteitag.“