Innenminister wollen Beweise gegen NPD sammeln

Berlin (dpa) - Neun Jahre nach dem Scheitern des NPD-Verbots wollen die Innenminister wieder systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei sammeln.

Sie beschlossen in Berlin einstimmig, eine Materialsammlung anzulegen und vom 2. April an auf V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD-Führung zu verzichten.

Ob ein neuer Anlauf für ein Verbot der NPD kommt, ist aber weiter offen. Ein erstes Verbotsverfahren war 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der zweifelhaften Rolle von V-Leuten bei der Beweisführung gescheitert. Die systematische Sammlung von Material gegen die rechtsextreme Partei soll bis 2008 zurückgehen und mindestens sechs Monate dauern. Frühestens im Herbst könnte eine Entscheidung für oder gegen ein Verbotsverfahren fallen.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte: „Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei.“ Die Innenminister wollten, dass ein mögliches Verbotsverfahren erfolgreich sei. Die Abschaltung der V-Leute sei zwingend, um ein faires Verbotsverfahren zu gewährleisten. Es seien Kriterien dazu erarbeitet worden, wie die Beweise hinsichtlich ihres Gehaltes zu gewichten seien. Erst im Lichte der Materialsammlung könne aber entschieden werden, ob es zu einem neuen Anlauf für ein Verbot der rechtsextremen Partei komme.

Zuvor hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor vorschnellen Entscheidungen gewarnt. Seit Jahren diskutiert die Politik immer wieder über einen neuen Anlauf. Der Druck, es noch einmal mit einem Verbotsverfahren zu versuchen, war nach Bekanntwerden der rechtsextremen Mordserie mit zehn Todesopfern wieder gestiegen. Vor allem die SPD und einige Ministerpräsidenten drücken aufs Tempo.

Das Thema V-Leute („Vertrauensleute“) sorgt allerdings unter den Innenministern nach wie vor für Meinungsverschiedenheiten. Friedrich erinnerte daran, dass die Klarnamen der Spitzel möglicherweise offengelegt werden müssten. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) reagierte ablehnend. Es sei fraglich, ob dann überhaupt ein Verbotsverfahren angestrebt werden solle, wenn dieses Risiko bestehe. Eine Offenlegung würde das gesamte Informantensystem der Sicherheitsbehörden gefährden. „Das würde auch im Kampf gegen Rechtsextremismus dazu führen, dass wir schlechter aufgestellt sind als vorher“, sagte er.

Friedrich erklärte, nach dem Beschluss des Verfassungsgerichts von 2003 sei es nicht völlig unmöglich, V-Leute bei der Beweisführung heranzuziehen. Aber der Beweiswert des Materials werde dadurch geschmälert. „Wir gehen davon aus, dass wir keine wackeligen Beweise vorlegen werden“, sagte er. Nach den Worten von Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) wollen die Minister auf Material aus verdeckten und offenen Quellen zurückgreifen, darunter auch auf Reden, öffentliche Äußerungen und Liedgut.

Nach Einschätzung von Friedrich wird die NPD auf das drohende Verbot reagieren. „Die NPD steht vor der Alternative: Entweder, sie betreibt ihre aggressiv-kämpferische Haltung weiter und würde uns Beweise liefern. Oder sie nimmt große Mengen Kreide zu sich.“ Dann aber wäre sie für einige Mitglieder nicht mehr attraktiv. „Das wird eine spannende Frage in den nächsten Monaten“, sagte er. Bereits in den vergangenen Monaten verlor die Partei an Mitgliedern - Extremismusforscher sehen in der NPD eine Partei in der Krise.

Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, der bei der Entscheidung 2003 den Vorsitz geführt hatte, äußerte sich in der „Süddeutschen Zeitung“ positiv über ein neues Verbotsverfahren. Die Morde der Neonazis hätten eine Situation geschaffen, „auf die der Staat umfassend reagieren“ müsse. Mit dem Abzug der V-Leute sei der Zulässigkeit eines neuen Verbotsantrags der Weg bereitet. Es könnte sein, dass rechtsextreme Politik und rechtsextremen Verbrechen „die zwei Seiten einer braunen Medaille sind“, fügte er hinzu.