Klagen von Asylbewerbern belasten Verwaltungsgerichte
Berlin (dpa) - Die Klagen abgelehnter Asylbewerber werden zu einer immer größeren Last für deutsche Verwaltungsgerichte. „Insgesamt haben wir eine sehr, sehr deutliche Zunahme von Asylklagen zu verzeichnen“, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller.
„Die Gerichte kommen zunehmend schwerer mit der großen Zahl von Verfahren klar.“ In einigen Ländern droht sich die Zahl der Klagen im Vergleich zu früheren Jahren zu vervielfachen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab.
Baden-Württemberg rechnet mit rund 12 000 neuen Asylverfahren an den Verwaltungsgerichten - in etwa dreimal so viele wie 2012, wie aus einer Stellungnahme des Justizministeriums auf einen CDU-Antrag im Landtag hervorgeht. In Rheinland-Pfalz zeichnet sich im Vergleich zum Vorjahr eine Verdopplung ab. Auch in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Berlin, Thüringen, Hessen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg häufen sich Asylverfahren. Das lässt auch die Verfahrensdauer an vielen Orten steigen.
Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde im Jahr 2014 gegen vier von zehn Entscheidungen des Bundesamts geklagt. Häufig gingen zum Beispiel Menschen aus Serbien, Mazedonien und der Russischen Föderation diesen Schritt. „Es fällt uns angesichts der Menge der Verfahren immer schwerer, den Kopf über Wasser zu halten“, sagte Seegmüller. Sie müssten sich jeden Einzelfall genau anschauen, um eine gerechte Entscheidung zu treffen.
Klagen in anderen Angelegenheiten müssten an manchen Gerichten länger liegen bleiben. „Wir sind nicht mehr so schnell, wie wir es mal waren“, sagte Seegmüller. Die niedersächsischen Verwaltungsgerichte geraten derzeit etwa an ihre Grenzen. „Die Kapazitäten sind jetzt vollends ausgelastet - mehr geht nicht“, sagte ein Sprecher des Justizministeriums in Hannover. Allein im ersten Halbjahr gingen 4730 Klagen ein - deutlich mehr als im gesamten Jahr 2013. Der Rekordwert von 7958 Klagen im vergangenen Jahr dürfte nun gebrochen werden.
Besonders schwierig ist die Lage nach Angaben Seegmüllers in Bayern: Die Zahl der Klagen sei dort mittlerweile siebenmal so hoch, wie sie im Durchschnitt von 2004 bis 2012 gewesen sei. Die bayerischen Verwaltungsgerichte hatten im Juli angesichts der Welle von Prozessen Alarm geschlagen. Es drohe über kurz oder lang ein Verfahrensstau, von dem auch andere Bürger betroffen wären, hatte der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Stephan Kersten, gewarnt.
Das Hamburger Verwaltungsgericht verzeichnet einen starken Anstieg von Klagen vor allem von Albanern und Kosovaren, aber auch Afghanen. In Berlin verhandelt Seegmüller am Verwaltungsgericht viele Fälle von Menschen aus Serbien und dem Kosovo. „Ganz häufig werden wirtschaftliche Nöte angegeben“, sagte Seegmüller zu den Gründen, in Deutschland bleiben zu wollen. Auch Korruption und Gewalt im Heimatland sowie eine nicht ausreichende medizinische Versorgung werden genannt. Die Aussichten auf Erfolg einer Klage seien bei diesen Staaten „nahezu Null“. „Das ist sehr aussichtslos.“
Um die Klagen abzuarbeiten, fordert Seegmüller mehr Personal. „Einige Bundesländer haben angekündigt, zusätzliche Mitarbeiter an den Gerichten einzustellen. Ich prognostiziere aber, wenn die Zahlen so bleiben, dass das nicht reichen wird“, warnte er.
Auch jenseits der eigentlichen richterlichen Entscheidung sei der Verwaltungsaufwand enorm, sagte Seegmüller. Für jede Klage müssten Akten angelegt, Verwaltungsvorgänge beigezogen und viel Post verschickt werden. Ob Gerichtsstandorte besonders viele Klagen gegen Asylbescheide verhandeln, hängt auch damit zusammen, ob in ihrer Region viele Asylbewerber untergebracht werden.
Ein Problem für die Gerichte sei, dass das BAMF systematisch immer Asylanträge aus einem Land bearbeite, sagte Raphael Murman-Suchan, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Köln. „Im Moment sind beispielsweise die Kammern, die sich mit Fällen aus Alt-Jugoslawien beschäftigen, absolut überlastet.“ Sobald sich die Gerichte auf eine Welle von Fällen aus einem Land eingestellt hätten, folge schon die nächste. Für die Richter sei es sehr schwer, sich ständig in die spezifischen Bedingungen einzelner Herkunftsländer einzuarbeiten.