„Klartext“ ganz ohne Worte - Steinbrück zeigt den "Stinkefinger"
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zeigt auf einem Foto den „Stinkefinger“. Aber hilft ihm das im Wahlkampf?
Berlin. Vielleicht ist das ein bisschen viel „Klartext“ so kurz vor einer Bundestagswahl. Vom Titel des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ grüßt heute die Leser ein Peer Steinbrück, der den „Stinkefinger zeigt. In Sachen maximale Aufmerksamkeit dürfte er damit einen Volltreffer gelandet haben.
Im Ohne-Worte-Interview des Magazins, wo spielerisch mit Gestik und Mimik geantwortet wird, soll der SPD-Kanzlerkandidat auf folgende Frage antworten: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi — um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“. Steinbrück schaut etwas finster rein: der Mund offen, die Arme verschränkt, den Mittelfinger der linken Hand gen Kamera gestreckt. Just zu einem Zeitpunkt, wo die Häme über ihn weg war, spätestens seit dem TV-Duell.
Immer wieder hat er sich geärgert, wie Medien über ihn berichten — habe das Land keine wichtigeren Probleme als sich über vermeintliche Fehltritte von ihm zu echauffieren? Bisher ist der „Stinkefinger“ von Stefan Effenberg Richtung deutsche Fans bei der Fußball-WM 1994 besonders in Erinnerung. Steinbrück spielt nun in dieser Liga mit.
Nun gibt es zwei Denkrichtungen: Steinbrück inszeniert sich als ein Rock’n’Roller der Politik. Er selbst sagte erst kürzlich: „Bei mir rockt es.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte ihn eine „coole Sau“. Sozusagen das Gegenstück zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Der Umgang mit dem 66-Jährigen wirft auch die Frage auf: Wie viel Augenzwinkern vertragen Politik und Öffentlichkeit? Gerade, wo sich immer wieder über gestanzte und stromlinienförmige Worte mokiert wird. Für den politischen Gegner ist es natürlich ein willkommener Anlass, an seinen Qualitäten zu zweifeln. „Die Geste verbietet sich als Kanzlerkandidat. So etwas geht nicht“, meint FDP-Chef Philipp Rösler. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kommentiert im Kurznachrichtendienst Twitter: „Das kann doch wohl nicht der Stil eines Bundeskanzlers sein.“
Steinbrück hat diesem Wahlkampf seinen Stempel aufgedrückt, am 16. Juni kulminierte der ganze Druck beim Parteikonvent nach berührenden Schilderungen seiner Frau („Und dann wird er nur noch verhauen“) darin, dass ihm Tränen in die Augen stiegen.
An der SPD-Basis dürfte der Fingerzeig Richtung Medien auf Zustimmung stoßen — immer wieder wurde er bei Veranstaltungen aufgefordert, doch mal mehr klare Kante gegen „diese Berliner Edelfedern“ zu zeigen.
Seine persönlichen Werte hatten nach dem TV-Duell zugelegt, die Botschaften kommen langsam an — und Steinbrück konnte die Kanzlerin etwa beim Thema Pkw-Maut in die Enge treiben. Die „kognitive Dissonanz“ sei durch das TV-Duell aufgelöst worden, sagt ein Mitglied aus Steinbrücks Kompetenzteam. Will heißen: Die 17,6 Millionen TV-Zuschauer hätten sich überzeugen können, dass viele der bisherigen Charakterisierungen gar nicht auf Steinbrück passten.