„Das ist kein großer Wurf“ Klimaforscher Latif: Regierung muss bei ihren Umweltplänen nachsteuern

Berlin · Der Kieler Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif hält die am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossenen Vorhaben zur Reduzierung der Triebhausgase für völlig unzureichend. Warum, erklärte er im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Vetter:

Frank Otto (l-r), Vorsitzender Klimawoche e.V., Boris Herrmann, Segelprofi und Schirmherr der 11. Hamburger Klimawoche, Mojib Latif, Klimaforscher und Beiratsmitglied der Hamburger Klimawoche, und Ba·rbel Dieckmann, Beiratsmitglied der Hamburger Klimawoche, nehmen an einer Pressekonferenz zur Eröffnung der 11. Hamburger Klimawoche teil.

Foto: dpa/Daniel Reinhardt

F: Herr Latif, Umweltaktivisten lassen kein gutes Haar an den Klimabeschlüssen der Bundesregierung. Sie auch?

A: Es sind ja nicht nur Umweltschützer, die dagegen Front machen. Auch Politiker aus den Regierungsparteien wie zum Beispiel der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD sind mit den Beschlüssen hörbar unzufrieden. Dem kann ich mich im Grundsatz nur anschließen.

F: Deutschland hat sich verpflichtet, seinen C02-Ausstoß bis 2030 mehr als zu halbieren. Kann das noch gelingen?

A: 55 Prozent weniger C02 im Vergleich zum Jahr 1990 sind mit dem Klimapaket der Bundesregierung sicher nicht zu schaffen. Da wird man unbedingt nachsteuern müssen.

F: Wo genau?

A: Da denke ich vor allem an den Energiebereich. Die erneuerbaren Energien wurden von der Großen Koalition regelrecht ausgebremst. Die Windenergie steckt in der Krise. Da gehen tausende Arbeitsplätze verloren. Darüber redet übrigens kaum jemand. Nur wenn es um Jobs in der Kohle geht, ist die allgemeine Aufregung groß. Der Windausbau und auch der Solarausbau müssen deutlich beschleunigt werden. Auf der anderen Seite müssen die Subventionen für konventionelle Energien drastisch abgebaut werden.

F: Was stört sie noch?

A: Völlig unzureichend ist auch die geplante C02-Bepreisung. Dadurch wird zum Beispiel der Liter Benzin ab 2021 lediglich um drei Cent teurer. Da schwanken die Preise an den Tankstellen ja schon an einem Tag deutlich stärker. Eine Lenkungswirkung wird man damit nicht erzielen. Hier wäre ein viel größerer Schritt nötig gewesen.

F: Können Sie auch etwas Positives entdecken?

A: Dass man die Bahn stärken will, ist zweifellos ein gutes Zeichen. Niemand kann doch erwarten, dass die Leute auf die Bahn umsteigen, wenn die nicht attraktiv und zuverlässig ist. Das gilt übrigens auch in Sachen Digitalisierung. Ich bin in vielen Ländern der Welt unterwegs. Selbst in Bummelzügen gibt es dort ein vernünftiges Wlan. Warum Deutschland das nicht auf die Reihe kriegt, ist mir ein Rätsel.

F: Immerhin hat die Regierung neben den Klimazielen auch das Klimaschutzgesetz verbschiedet, in dem die genauen Einsparmengen an C02 zum Beispiel für die Industrie oder die Landwirtschaft festgelegt sind. Überzeugt Sie das nicht?

A: Natürlich ist das ein Fortschritt. Unklar bleibt, was passiert, wenn ein Ministerium seine Ziele nicht erreicht. Anderseits muss Deutschland im Falle des Nichteinhaltens der Klimaziele hunderte Millionen Euro an die EU zahlen. Das wird schon in den nächsten Jahren beginnen. Wer zahlt dafür die Zeche? Ich fürchte, die wird beim Steuerzahler hängen bleiben. Der große Wurf ist leider auch dieses Gesetz nicht. So wird Deutschland auch nicht auf dem internationalen Parkett reüssieren können.