Koalition prüft Soli-Senkung: „Kein Modell ist vom Tisch“

Berlin (dpa) - Nach dem offenen Steuerstreit in der Koalition wird eine Absenkung des Solidaritätszuschlags immer wahrscheinlicher. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt laut Koalition ein entsprechendes Modell durchrechnen.

Trotz anhaltender Bedenken der CSU betonte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aber, auch der ursprüngliche Plan von CDU und FDP für eine Entlastung bei der Einkommensteuer sei weiter im Rennen. Dem müsste aber anders als bei einer Soli-Senkung der Bundesrat zustimmen. Die SPD hat bereits eine Blockade angekündigt.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dem „Handelsblatt“ (Montag): „Ob die Entlastung über die kalte Progression oder den Soli erfolgt, ist für die Menschen nicht entscheidend.“ In Koalitionskreisen hieß es laut „Tagesspiegel“ (Sonntag): „Es wird wohl auf den Solidaritätszuschlag herauslaufen.“ Die Einnahmen durch den Solidaritätszuschlag für 2011 werden auf rund 12,2 Milliarden Euro geschätzt. Das Volumen für eine mögliche Absenkung wird in der Koalition auf drei bis vier Milliarden Euro taxiert.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatten dagegen am Donnerstag angekündigt, die kalte Progression durch eine Korrektur der Steuertarife samt höherem Grundfreibetrag abzumildern. Bei diesem Effekt kann ein Bürger trotz eines Einkommensanstiegs am Ende weniger Geld in der Tasche haben, weil das mehr an Brutto durch die Steuer wieder aufgezehrt wird.

CSU-Chef Horst Seehofer hatte gegen den Plan bei einem Spitzentreffen der Koalition im Kanzleramt am Freitagabend wegen der Blockademöglichkeit der Länder Widerstand geleistet. „Mit mir wird es nur eine Steuerreform geben, die am Ende auch im Gesetzblatt stehen kann“, sagte er nach dpa-Informationen.

Brüderle sagte, entscheidend sei, dass mehr im Geldbeutel bleibe und das Wachstum stabilisiert werde. Rösler sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Wir wollen die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Das ist zentral. Der Abbau der kalten Progression ist darüber hinaus auch eine Frage der Gerechtigkeit.“

Gegen die Soli-Variante gibt es Widerstand aus Sachsen. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“: „Ich halte wenig von einer Abschaffung des Solidaritätsbeitrags.“ Besser sei eine Abschaffung der Stromsteuer.

Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) machte sich im „Focus“ für Entlastungen über die Einkommenssteuer stark: „Ich glaube, dass wir den Grundfreibetrag erhöhen und gleichzeitig die Tarifeckbeträge nach rechts verschieben müssen, um die kalte Progression zu entschärfen.“

Merkel stellte am Samstag in Wiesbaden klar: „Kein Modell ist vom Tisch.“ Die Koalition hatte bei ihrem Spitzentreffen in der Nacht zum Samstag Entscheidungen zu diesem Streitthema, zur geplanten Pflegereform und anderen Konflikten bis zur nächsten Koalitionsrunde am 6. November vertagt. Dann soll es eine Paketlösung geben. Davor sind Gespräche mit den Unionsministerpräsidenten geplant. Die Länder befürchten bei Steuersenkungen Einnahmeausfälle. Entlastungen sind aber ein zentrales Wahlversprechen der Liberalen. Im Emnid-Sonntagstrend im Auftrag von „Bild am Sonntag“ kommt die FDP nur noch auf 3 Prozent (minus 1).

Einem „Spiegel“-Bericht zufolge erwartet die Bundesregierung trotz eingetrübter Konjunkturaussichten steigende Steuereinnahmen in diesem und auch im nächsten Jahr. Allein der Bund könne im Vergleich zur Steuerschätzung vom Frühjahr für 2011 mit Mehreinnahmen von rund zehn Milliarden Euro rechnen, heiße es im Finanzministerium. Auf Länder und Gemeinden entfalle ein ähnlich hoher Betrag.

Nach dem Angriff Seehofers auf Rösler und Schäuble wegen deren Steuerplan sagte Rösler der „Bild am Sonntag“, Merkel habe die „Missverständnisse“ um die Steuern bei dem Spitzentreffen auf ihre Kappe genommen. Die Regierung betonte laut „Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung“: „Es gab keine Panne, und es gab keine Entschuldigung der Kanzlerin.“

Die Opposition sieht das Aus der Regierung nahen. „Diese Regierung ist nicht mehr regierungsfähig“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast fragte: „Wie lange will Frau Merkel sich und dem Land dieses peinliche Trauerspiel noch zumuten?“