Linke demonstriert Geschlossenheit

Erfurt (dpa) - Schulterschluss nach monatelangen Streitereien: Die Linke hat vier Jahre nach ihrer Gründung ihr erstes Grundsatzprogramm mit überraschend großer Mehrheit beschlossen. Der Bundesparteitag in Erfurt stimmte den rund 40-seitigen Leitlinien für die künftige politische Arbeit am Sonntag mit 96,9 Prozent zu.

Darin setzt sich die Linke einen radikalen Systemwechsel zum demokratischen Sozialismus zum Ziel. Dieser beinhaltet die Verstaatlichung von Banken und Energieunternehmen, die Auflösung der Nato und ein Ende der Bundeswehr-Kampfeinsätze. Das letzte Wort haben die rund 70 000 Mitglieder in einer Urabstimmung, die bis Jahresende abgeschlossen sein soll.

Parteichef Klaus Ernst bezeichnete das Programm als „Meilenstein in unserer Geschichte“. Fraktionschef Gregor Gysi sprach von einem „wichtigen Aufbruch“.

Die Linke hatte zwei Tage lang über den Entwurf des Parteivorstands und rund 1400 Änderungsanträge beraten. 350 Anträge wurden zur Abstimmung gestellt, 18 Änderungen wurden angenommen. Einzige Überraschung: Die Delegierten nahmen die Legalisierung aller Drogen einschließlich Heroin und Kokain als langfristiges Ziel in das Programm auf. Die Streitpunkte in der Friedenspolitik oder bei den Bedingungen für Regierungsbeteiligungen wurden ohne größere Kontroversen geklärt.

Bei der Abstimmung votierten 503 Delegierte für den Entwurf, nur 4 dagegen, 12 enthielten sich. Großen Anteil daran hatte Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, der an der kritischsten Stelle - als es um Nato und Bundeswehr ging - einen Konflikt mit einer kurzen Wortmeldung verhinderte. Linke-Chef Ernst rief seine Partei unmittelbar vor der Abstimmung zur Geschlossenheit auf. „Nichts von dem, was uns trennt, ist so wichtig, dass wir deshalb auf der anderen Seite stehen müssten“, sagte er.

Die Linke hatte sich in den vergangenen Monaten in quälende Diskussionen über den Kommunismus-Begriff, das Verhältnis zu Israel und den Mauerbau verstrickt. Die Parteichefs Klaus Ernst und Gesine Lötzsch waren massiv unter Druck geraten. Ex-Parteichef Lafontaine stärkte den beiden demonstrativ den Rücken. „Wenn die Führung angegriffen wird, ... dann braucht die Führung die Solidarität der gesamten Partei - auch dann, wenn sie Fehler macht.“ Saarlands Fraktionschef rief seine Partei zu mehr Selbstbewusstsein im politischen Wettbewerb auf. „Wir brauchen den aufrechten Gang und wir dürfen uns nicht von den anderen in die Defensive drängen lassen.“

Mit dem neuen Programm hofft die Linke wieder aus dem Stimmungstief zu kommen. Seit der Bundestagswahl 2009 ist die Partei von rund 12 auf 6 bis 7 Prozent abgestürzt. Zu den Kernforderungen des Programms zählt eine stärkere Besteuerung von Erbschaften, Konzerngewinnen und großen Vermögen, die 30-Stunden-Woche für Arbeitnehmer und ein gesetzlicher Mindestlohn von 60 Prozent des Durchschnittslohns. Anstelle von Militäreinsätzen im Ausland plädiert die Linke für die Schaffung eines zivilen „Willy-Brandt-Korps“ mit Ärzten, Wissenschaftlern und Technikern für die Katastrophenhilfe im Ausland.

Für Koalitionsverhandlungen zieht das Programm rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Die Linke will sich an keiner Regierung beteiligen, die Kampfeinsätze der Bundeswehr zulässt, Aufrüstung vorantreibt, die Privatisierung der Grundversorgung oder Sozialabbau betreibt oder die Bedingungen für den öffentlichen Dienst verschlechtert.