Debatte Koalition uneins über Bundeswehreinsatz im Inneren

Das neue Weißbuch der Bundeswehr spiegelt die aktuelle Sicherheitslage wider - und löst heftigen Streit mit der SPD aus.

Bundeswehreinsätze im Inneren - für Bundesverteidigungsministerin von der Leyen durchaus denkbar. (Archivfoto)

Foto: Ingo Wagner

Berlin. Die große Koalition hat seit Dienstag einen neuen, schweren Konfliktpunkt: Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ließ entsprechende Pläne von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) demonstrativ zurückweisen.

"Mit der SPD ist eine Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht zu machen", hieß es im Auswärtigen Amt. Und das ist nur der Auftakt einer vermutlich heißen Debatte um die künftige sicherheitspolitische Strategie Deutschlands.

Hintergrund ist die Erstellung eines neuen "Weißbuchs der Bundeswehr", das das Grundlagenwerk für die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands ist. Das noch geltende von 2006 ist veraltet. Es kennt weder den IS, noch die Krim-Krise, noch den Cyber-Krieg. Eigentlich hatte von der Leyen die Diskussion um einen neuen Text seit einem Jahr zur Zufriedenheit aller organisiert: Es gab zahlreiche Foren, Parteien, Nichtregierungsorganisationen und zuständige Ressorts fühlten sich eingebunden. Doch seit die CDU-Politikerin am Montag ihren Entwurf an die für das Thema zuständigen "Sicherheits"-Ressorts Außen, Innen, Entwicklung und Justiz geschickt hat, ist der Friede dahin.

Reihenweise fanden und finden in Berlin nun Hintergrundgespräche statt, bei denen die Journalisten schon mal mit Argumenten gefüttert werden. Noch geschieht das vertraulich, weil der Text nicht öffentlich ist. Nur bei der Frage eines Bundeswehreinsatzes im Inneren kochte der Konflikt hoch, weil eine Zeitung aus dem Weißbuch-Entwurf zitierte. "Charakter und Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger Bedrohungen" machten eine Weiterentwicklung des Grundgesetzes an dieser Stelle erforderlich, heißt es da.

Gemeint sind große terroristische Anschläge. In Frankreich wurde nach den Attacken vom 13. November die Armee zur Sicherung von Straßen und Plätzen rausgeschickt. Doch die SPD, das sagte am Dienstag auch Fraktionschef Thomas Oppermann, hält die bestehende Rechtslage für ausreichend, die nur im Fall eines inneren Notstandes den Einsatz von Soldaten im Inland erlaubt.

Das Thema dürfte nicht der einzige Streitpunkt bis zur Kabinettsentscheidung über das Weißbuch bleiben, die für Juni geplant ist. So will von der Leyen den Bundessicherheitsrat, das Gremium der Sicherheits-Ministerien, zum "strategischen Impulsgeber und Steuerungsgremium" ausbauen. Ganz offenbar auch in der Absicht, die eigene Rolle zu stärken. Bisher beschließt der Bundessicherheitsrat im Wesentlichen nur über Rüstungsexporte, Außeneinsätze werden politisch von Steinmeiers Leuten vorbereitet. Das wird sich der SPD-Mann nicht nehmen lassen.

Ähnlich motiviert ist von der Leyens Absicht, neben dem Rat der europäischen Außenminister auch einen neuen Rat der Verteidigungsminister zu schaffen. Das wird freilich auf die Schwierigkeit stoßen, dass mindestens die Briten in Fragen von Krieg und Frieden kaum eine Machtverlagerung nach Brüssel mitmachen werden - vor der Volksabstimmung über den "Brexit" sowieso nicht.

Zwei wesentliche Weichenstellungen aus dem Entwurf sind unstrittig. So soll es künftig keine Obergrenze für die Bundeswehr mehr geben. Derzeit liegt sie bei 185.000 Soldaten. Freilich bedeutet das nicht automatisch eine Aufrüstung, denn Bewerber sind rar. Von der Leyen geht es eher darum, flexibler planen zu können. Außerdem wird in dem Weißbuch neben den Auslandseinsätzen die Landesverteidigung wieder stärker betont; auch enthält der Text eine kritische Passage über Russland. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Deutschland jetzt nicht mehr nur am Hindukusch verteidigt wird - sondern auch wieder zu Hause.