Warnungen vor Panikmache Koalitionsstreit über Renten-Garantien verschärft sich
Berlin (dpa) - In der großen Koalition verschärft sich der Streit über eine längere Stabilisierung der Renten bis ins Jahr 2040. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte von der SPD: „Bitte keine Unsicherheit schüren.“
Bis 2025 gebe es gemäß Vereinbarungen der Koalition sowieso „absolute Klarheit“, sagte sie am Sonntag im „Sommerinterview“ der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Für die Zeit danach seien Vorschläge einer Kommission abzuwarten.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte seinen Vorstoß für Garantien bis 2040 und warnte vor Panikmache etwa bei steigenden Bundeszuschüssen. Zu einem geplanten ersten Rentenpaket von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) streben Union und SPD eine Verständigung in den nächsten Tagen an.
Merkel mahnte: „Ich glaube, im Augenblick jeden Tag etwas anderes mitzuteilen, schärft eher die Verunsicherung, als dass es Sicherheit schafft.“ Der Rente gehe es wegen der positiven Arbeitsmarktlage gut, die Renten stiegen. Die Rentner sollten auch über 2030 hinaus am Wohlstand teilhaben, zugleich dürfe man Jüngere nicht überlasten. Hier gelte es, „eine richtige Balance“ zu finden. Sie werde erst eine Aussage treffen, „wenn wir alle Daten und Fakten beieinander haben“, sagte Merkel mit Blick auf die gerade eingesetzte Expertenkommission.
Scholz untermauerte dagegen seinen Vorstoß. In der Vergangenheit sei viel für stabile Rentenfinanzen getan worden. „Deshalb kann man auch gucken, wie kriegen wir den Rest jetzt hin.“ Mit Blick auf einen womöglich weiter steigenden Bundeszuschuss zur Rente sagte er, es sei auch zu berücksichtigen, dass der Bundeshaushalt bis 2030 rund 500 Milliarden Euro umfassen könne, also viel mehr als jetzt. „Dann sind die Summen, über die jetzt diskutiert wird, ob man das zum Beispiel mit zusätzlichen Steuermitteln tun könnte, nicht so unvorstellbar, wie einige das sagen.“ Scholz fügte hinzu: „Wenn jetzt einige große Panik machen, muss man ihnen vorwerfen, dass sie sehr unseriös sind.“
Unabhängig davon stellte Merkel eine baldige Einigung auf erste Renten-Verbesserungen in Aussicht. „Wir sind auf einem wirklich guten Weg.“ Nach einem ersten Treffen mit Scholz und CSU-Chef Horst Seehofer am Samstagabend sollten die Entscheidungen zusammen mit den Fraktionsspitzen getroffen werden. „Das wird sehr zeitnah passieren.“ Bei der Rente an sich hake es eigentlich überhaupt nicht. Merkel ließ aber durchblicken, dass „Dinge zusammengesehen würden“ und nannte Weiterbildung und den Arbeitslosenbeitrag. Laut Seehofer sind am Dienstag Beratungen mit den Fraktionschefs geplant. Scholz sagte, das Rentenpaket werde sicherlich in wenigen Tagen das Kabinett erreichen.
Die Pläne von Minister Heil sehen Verbesserungen bei der Mütterrente und für Erwerbsminderungsrentner sowie Entlastungen von Geringverdienern bei Sozialbeiträgen vor. Zudem soll das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2025 stabilisiert werden. Es beschreibt, wie sich eine Standardrente nach 45 Beitragsjahren zum Entgelt eines Durchschnittsverdieners verhält - wenn das Rentenniveau sinkt, heißt es also nicht, dass die Rente sinkt, sondern stärker hinter der Entwicklung der Durchschnittsverdienste zurückbleibt.
Diskutiert wurde zuletzt, wie die Verbesserungen bei der Mütterrente gestaltet werden sollen. Offen war zudem, ob die geplante Senkung des Arbeitslosenbeitrags mit dem Rentenpaket verbunden werden sollte. Die Union will eine kräftigere Senkung zum 1. Januar 2019 als um die vereinbarten 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent des Bruttolohns. Heil ist offen dafür, knüpft es aber an Bedingungen, etwa eine stärkere Unterstützung der Weiterbildung in kleine und mittleren Unternehmen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte an, dass der Beitrag zur Pflegeversicherung - wie bereits angedeutet - stärker erhöht werden soll als um die bisher geplanten 0,3 Punkte. „Wenn wir mehr Pflegekräfte wollen und wenn wir sie besser bezahlen wollen, dann wird das mehr kosten.“ Bereits zum 1. Januar werde er vorschlagen, „dass wir die Pflegeversicherungsbeiträge werden erhöhen müssen, und zwar um nicht wenig: um 0,5 Beitragssatzpunkte“. Derzeit liegt der Satz bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens, Kinderlose zahlen 2,8 Prozent.