Kreise: Koalition sieht Lösungsmöglichkeiten bei Streitthemen
Berlin (dpa) - Unter dem Druck des aufziehenden Wahlkampfs ringt die zerstrittene schwarz-gelbe Koalition um Handlungsfähigkeit und Entlastungen für die Bürger.
Nach einer ersten Gesprächsrunde des Koalitionsausschusses, in der alle Konfliktthemen erörtert wurden, hieß es gegen 21.00 Uhr aus Parteikreisen von allen Seiten, es gebe Lösungsmöglichkeiten. Über diese werde nun in einer zweiten Runde gesprochen. Es sei allen klar, dass das Treffen Ergebnisse bringen müsse. Details wurden nicht genannt. Es zeichnete sich eine lange Nachtsitzung ab.
Streitpunkte waren vor allem das Betreuungsgeld, die Abschaffung der Praxisgebühr, Maßnahmen gegen die Altersarmut und Investitionen in Verkehrswege. Die Opposition warnte vor teuren Wahlgeschenken. Laut einer Umfrage sind fast 70 Prozent der Deutschen mit Schwarz-Gelb unzufrieden.
Die Koalitionäre wollten unter anderem die Frage klären, wie mit den Überschüssen der gesetzlichen Krankenkassen umgegangen werden soll. Während die FDP die Praxisgebühr für Arztbesuche abschaffen will, möchte die Union eher die Kassenbeiträge senken. Außerdem geht es um Instrumente gegen die Altersarmut von Geringverdienern und mehr Verkehrsinvestitionen. Der Bundeshaushalt soll zugleich möglichst schon 2014 strukturell ohne neue Schulden auskommen. Dabei werden Konjunktur und Einmaleffekte ausgeklammert.
CSU-Chef Horst Seehofer hatte Entscheidungen bei Rente, Haushalt, Krankenversicherung und Familienpolitik verlangt. Dies sei nötig, um für eine Wiederauflage von Schwarz-Gelb nach der Bundestagswahl 2013 werben zu können, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in der ARD, die Regierung müsse zeigen, dass sie handlungsfähig sei und Entscheidungen treffen könne. „Ich bin sehr optimistisch heute Abend, dass Entscheidungen getroffen werden.“ Alle Koalitionsparteien müssten davon profitieren: „Jeder muss bei so einer Einigung ein Stück haben, was er nach Hause tragen kann.“
Das von der CSU verlangte Betreuungsgeld für Eltern von Kleinkindern, die zu Hause betreut werden, sei keine Herzensangelegenheit der FDP, aber im Koalitionsvertrag vereinbart, betonte Brüderle. „Da wurde ja nachgebessert von der Union gegenüber dem, was im Sommer zur Entscheidung anstand.“ Der FDP sei es hier wichtig, Anreize im Bildungsbereich zu setzen. Zur Debatte über Parteichef Rösler sagte er, es wäre „unfair, bei einem allein schwierige Phasen abzuladen. Die Mannschaft ist insgesamt verantwortlich für das Toreschießen auch in Zukunft“.
Vor allem zwischen den kleineren Partnern CSU und FDP gab es Differenzen. Werde die Praxisgebühr abgeschafft, müsse überlegt werden, was an ihre Stelle zu setzen wäre, „wenn das Geld in einigen Jahren gebraucht wird“, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der „Mittelbayerischen Zeitung“ (Samstag). Die Union bevorzugt daher Beitragssenkungen. Die FDP pochte weiter auf eine Gegenfinanzierung für das Betreuungsgeld.
Dem Koalitionsausschuss gehören neben Merkel auch die Parteichefs Rösler und Seehofer sowie die Fraktionsvorsitzenden, Generalsekretäre und Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU, CSU und FDP an. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nimmt wegen einer Mexiko-Reise nicht teil.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte in der ARD: „Um Herrn Rösler und anderen das Leben noch ein bisschen zu verlängern“, würden im Kanzleramt „einige Kuhhandel“ vereinbart. Die Koalition werde Wahlgeschenke ohne Rücksicht auf den Haushalt verteilen. Junge Politiker von Union und FDP mahnten laut „Bild am Sonntag“ Haushaltskonsolidierung als oberstes Ziel an.
Mit der Leistung der schwarz-gelben Regierung sind laut einer Umfrage des Instituts YouGov 69 Prozent der Deutschen unzufrieden. Nur 20 Prozent zeigen sich zufrieden. Demnach ist der Anteil der Unzufriedenen im Vergleich zu anderen Ländern in Europa am höchsten.