Kleiner Parteitag Kretschmann attestiert NRW-Grünen „gesinnungsethischen Überschuss“

Parteichef Özdemir kritisiert die Einmischung. Beim kleinen Parteitag muss sich der Landesverband am Sonntag der Wahlkritik der Basis stellen.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, re.) kritisiert seine Parteigenossen in NRW. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir verbat sich solche Einwürfe.

Foto: Marijan Murat

Düsseldorf. „Die bisherigen Akteure, die die Politik der Grünen auf Landesebene vertraten, stehen (. . .) in einer besonderen Verantwortung. Sie sollten sich dieser Verantwortung stellen und einen Neuanfang möglich machen.“ So hat der Kreisverband Münster der Grünen am Donnerstag auf das verheerende Ergebnis bei der Landtagswahl reagiert und die bisherigen Minister Sylvia Löhrmann, Johannes Remmel und Barbara Steffens damit indirekt aufgefordert, ihr Landtagsmandat niederzulegen.

Bisher hat aber nur Schulministerin Löhrmann ihren Rückzug aus dem Landtag angekündigt. Remmel und Steffens wollen ihr Mandat wahrnehmen, auch wenn beide schon erklärt haben, keine herausgehobenen Ämter mehr anzustreben (Fraktionsvorsitz oder Landtagspräsidium). Das Mandat selbst ist aber geschützt: Die Partei kann niemanden ihrer Abgeordneten zum Rückzug zwingen.

Zusätzlich zum Druck der Basis grätschte am Freitag noch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann dazwischen. In einem Zeitungsinterview beschied er den NRW-Grünen: „Wir haben dort einen eher vom linken Flügel dominierten Landesverband. Da gibt es immer einen gesinnungsethischen, einen idealistischen Überschuss. Das kann leicht nach hinten losgehen.“

Nicht nur Parteichef Cem Özdemir verbat sich solche Einwürfe: „Einseitige, öffentliche Ratschläge von der Seitenlinie, ob von Ministerpräsidenten, ehemaligen Spitzenkandidaten oder von anderen, sind nicht hilfreich.“ Auch im NRW-Landesverband sieht man in der Attacke eine „flügelpolitische Schlacht der Vergangenheit“ — zumal sich auch die erfolgreichen Grünen in Schleswig-Holstein der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer verweigert hätten. Kretschmann hatte das als eines der Themen bezeichnet, „bei denen wir nicht gewinnen können“.

Beim kleinen Parteitag der NRW-Grünen am Sonntag in Mülheim wird sich neben den Spitzenkandidaten auch der für die Wahlkampagne verantwortliche Landesvorstand um Sven Lehmann und Mona Neubaur der Kritik der Basis stellen. In einem Antrag des Vorstands heißt es, man wolle „sehr schnell erste Lehren aus unserer Niederlage ziehen“ und einen umfassenden Erneuerungsprozess organisieren.

Die nur noch 14-köpfige Fraktion kommt am Dienstag zur konstituierenden Sitzung zusammen. Dann wird mit offiziellen Bewerbungen für die Fraktionsführung gerechnet. Bisher werden die früheren Landesvorsitzenden Monika Düker (Düsseldorf) und Arndt Klocke (Köln) gehandelt, möglicherweise auch als Doppelspitze. Für die bisherige parlamentarische Geschäftsführerin Sigrid Beer muss auch ein Nachfolger gefunden werden. Eine Entscheidung soll aber auf einer Klausurtagung am 29. und 30. Mai in Duisburg fallen.