Lafontaine verzichtet auf Kandidatur für Parteivorsitz
Berlin (dpa) - Das Comeback des früheren Linke-Chefs Oskar Lafontaines ist gescheitert. Der 68-jährige Saarländer erklärte am Dienstag seinen Verzicht auf eine Kandidatur für den Parteivorsitz - nachdem Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi ihm am Montag seine Unterstützung entzogen hatte.
Damit steigen zwar die Chancen für den stellvertretenden Fraktionschef Dietmar Bartsch, zugleich wird der Führungsstreit bei der Linken aber immer chaotischer. Denkbar ist nun auch eine weibliche Doppelspitze.
Bereits an diesem Mittwoch wollen die stellvertretende Parteichefin Katja Kipping und die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Katharina Schwabedissen ihre Bereitschaft erklären, als Führungsduo anzutreten. Das bestätigte der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord am Dienstagabend in Berlin. Auch Parteichef Klaus Ernst brachte ein weibliches Spitzentandem ins Gespräch. „Zwei Männer haben wir ja schon gehabt“, sagte er auf einer Regionalkonferenz in Berlin. Es müssten Frauen mit Ausstrahlung auch in die alten Bundesländer sein.
Neben Kipping und Schwabedissen will auch die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann antreten. Sie hat sich bislang nicht auf einen Partner festgelegt und könnte somit auch eine Doppelspitze mit Bartsch bilden. Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht sprach von der schwersten Krise in der Geschichte der Partei, äußerte sich aber nicht zu ihren eigenen Ambitionen.
Lafontaine erklärte, er habe für sein Angebot, wieder bundespolitische Aufgaben zu übernehmen, aus Ost und West sehr viel Unterstützung erhalten. „Ich habe allerdings zur Kenntnis nehmen müssen, dass meine Bereitschaft nicht zu einer Befriedung der innerparteilichen Auseinandersetzung geführt hat, sondern dass die Konflikte weiter eskaliert sind.“ Er ziehe daher sein Angebot zurück. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass nur ein passender Neuanfang jenseits der bisherigen Konfrontationslinien die derzeitige festgefahrene Situation überwinden könne, erklärte Lafontaine.
Am Montag hatte sich Gysi von Lafontaine distanziert und Verständnis für die Position von Bartsch gezeigt. Dieser hatte als erster offiziell seine Kandidatur erklärt. Auch Lafontaine hatte sich grundsätzlich zu einer Kandidatur bereiterklärt - aber unter Bedingungen. So verlangte er, dass kein anderer gegen ihn antritt. Zudem wollte der Saarländer nur dann für die Bundestagswahl 2013 als Spitzenkandidat der Linken antreten, wenn er auch Parteichef ist.
Diese Haltung Lafontaines sorgte zunehmend für Unmut in der Partei. Vor allem Ost-Linke, die dem pragmatischen Flügel um Bartsch zuzurechnen sind, bezeichneten das Verhalten als undemokratisch.
Parteichef Ernst sagte nach Lafontaines Rückzug, die Linke verliere auch ihren besten Wahlkämpfer. „Da ist eine sehr ernste Lage für die Partei entstanden.“ Gysi erklärte, er habe für die Lafontaines Entscheidung Verständnis. „Sie sollte Anlass sein, dass die Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher, aber wichtiger Teile der Partei aufeinander zugehen.“
Die Auseinandersetzung um die künftige Führung war auch ein Richtungsstreit: Bartsch wird vor allem von den Ostverbänden unterstützt, die einen gemäßigten Kurs Richtung Regierungsbeteiligung fahren wollen. Lafontaine steht hingegen für einen harten Oppositionskurs und wurde primär von den Westverbänden gestützt. Bis 2009 hatte der Saarländer die Linke schon einmal als Parteichef geführt. Er war dann aber wegen einer Krebserkrankung zurückgetreten.
Wegen des Machtkampfes um die Führung erlebte die Linke eine Zerreißprobe - so warnte Gysi vor einer Spaltung, falls es nicht zu einer einvernehmlichen Lösung in der Führungsfrage kommen sollte. Der Partei, die vor fünf Jahren aus der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei hervorgegangen war, drohte ein Showdown bei der Neuwahl des Parteivorstandes. Unklar blieb am Dienstag, ob Ernst noch einmal für den Chefposten antritt. Seine Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch war bereits aus privaten Gründen zurückgetreten.
Die Linke befindet sich in einer desolaten Lage: Seit Monaten beschäftigt sie sich mit parteiinternen Streitereien. Zudem kämpft sie gegen sinkende Umfragewerte und schlechte Wahlergebnisse. So scheiterte die ursprünglich angestrebte West-Ausdehnung der Partei. Zuletzt verfehlte die Linke den Wiedereinzug in die Landesparlamente von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.