Fördersystem für strukturschwache Regionen Landsberg: "Wir brauchen Investitionen für notleidende Kommunen"

Der Städte- und-Gemeindebund-Chef begrüßt die Idee eines gesamtdeutschen Solidarpakts

Das Ruhrgebiet (Symbolbild) ist in einer ähnlich ungünstigen Situation wie einst Ostdeutschland - findet der Städte- und-Gemeindebund-Chef Landsberg.

Das Ruhrgebiet (Symbolbild) ist in einer ähnlich ungünstigen Situation wie einst Ostdeutschland - findet der Städte- und-Gemeindebund-Chef Landsberg.

Foto: dpa

Berlin. Eine von Bund und Ländern in Auftrag gegebene Expertenstudie empfiehlt ein Fördersystem für strukturschwache Regionen in ganz Deutschland. Es soll nach dem Auslaufen des Solidarpakts für den Aufbau Ost Ende 2019 greifen. Zur Begründung heißt es, die Angleichung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse komme "nur sehr langsam" voran. Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes:

F: Herr Landsberg, eigentlich sollte der Aufbau Ost mit dem Ende des Solidarpakts abgeschlossen sein. Nun wird sogar ein gesamtdeutscher Solipakt angeregt. Muss der wirklich sein?

A:
Ja, der muss sein. Inzwischen stecken viele Regionen in Westdeutschland wie zum Beispiel das Ruhrgebiet in einer ähnlich ungünstigen Situation wie einst in Ostdeutschland. Die Hoffnung war tatsächlich, alle holen auf, und der Solidarpakt kann ersatzlos auslaufen. Aber die Realität sieht anders aus.

F: Ist die verfassungsrechtlich gebotene Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse am Ende nur eine Utopie?

A:
Dass man das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse noch nicht erreicht hat, kann ja nicht heißen, dass man dieses Ziel aufgibt. Zumal es eben um gleichwertige und nicht um gleiche Lebensverhältnisse geht.

F: Von den 138 Regionen, die in der Studie als strukturschwach eingestuft werden, liegen 62 Prozent im Osten. Dabei machen die neuen Länder nur 30 Prozent der Gesamtfläche aus. Hat das bisherige Fördersystem versagt?

A:
Nein. Wir haben bei den ostdeutschen Kommunen einen enormen Aufholprozess erlebt. Die Städte sind überwiegend in einem hervorragenden Zustand und bieten auch ein attraktives Lebensumfeld. Dafür sprechen nicht zuletzt auch stattfindende Wanderungsbewegungen von West nach Ost. Das eigentliche Problem besteht darin, dass die Steuerkraft der Kommunen im Osten nach wie vor deutlich niedriger ist als im Westen. Wir haben dort immer noch eine niedrigere Wertschöpfung als im Westen.

F: Wenn bislang im Osten wirkende Hilfsprogramme auch auf strukturschwache Regionen im Westen ausgeweitet werden sollen, wie es die Experten vorschlagen, dann braucht es doch auch mehr Geld, oder?

A:
Das ist politisch sicher nicht durchsetzbar. Dafür wird es keine Mehrheiten geben. Schließlich stünde dann auch die Frage im Raum, ob der Solidarzuschlag erhöht werden soll. Gegenwärtig wird ja eher über seine Reduzierung oder gar Abschaffung diskutiert. Nein, die vorhandenen Mittel müssen zielgerichteter eingesetzt werden. Im Osten und künftig auch im Westen.

F: Was soll konkret mit dem Solidarzuschlag passieren?

A:
Wir können auf die Einnahmen aus dem Solidarzuschlag auch nach 2019 nicht verzichteten. In diesem Jahr wird das Aufkommen bei 15,9 Milliarden Euro liegen. Für 2019 werden 17,5 Milliarden Euro erwartet. Das sind gewaltige Summen. Wenn der Vorschlag von Wirtschaftsminister Gabriel verwirklicht wird, dieses Geld als Investitionshilfe für die Kommunen in ganz Deutschland zu nutzen, dann wäre das eine sehr sinnvolle Lösung. Wir brauchen einen Investitionsfonds für notleidende Städte und Gemeinden. Unabhängig von der Himmelsrichtung. Immerhin haben wir einen Investitionsrückstand von 137 Milliarden Euro zu bewältigen.