Landwirtschaftsminister Schmidt: "Es gibt den mentalen Wechsel"
Bei vielen Verbrauchern hat es ein Umdenken im Bezug auf Lebensmittel gegeben, sagt Minister Christian Schmidt.
Berlin. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sieht bei den Verbrauchern eine hohe Bereitschaft, mehr Geld für Ernährung auszugeben. Das belege eine neue Umfrage seines Ministeriums, sagt er im Interview mit unserer Zeitung. Zugleich warnt er vor den Folgen des Billig-Wettbewerbs im Lebensmittelbereich.
Herr Minister, gehen Sie noch selber einkaufen?
Christian Schmidt: Selten. Wenn, dann gehe ich meist in Supermärkte, in denen es Regionaltheken gibt. Wenn Zeit bleibt, schlendere ich auch über den Wochenmarkt.
Was kostet im Moment ein Liter Milch?
Schmidt: Die Preisspanne ist recht groß, zwischen 59 Cent bis zu über einem Euro.
Die Milch ist ein gutes Beispiel für den derzeitigen Preisverfall bei Lebensmitteln, oder?
Schmidt: Manche Lebensmittel sind günstiger geworden, manche aber auch teurer. Bei der Milch muss man wissen, dass wir von einem super hohen Preis von über 40 Cent kommen und jetzt zwischen 32 und 36 Cent pro Liter Milch liegen. Vieles spricht dafür, dass es sich nur um eine Delle handelt. Grundsätzlich kann die Politik kein Interesse daran haben, dass die Erzeuger nicht kostendeckend produzieren können.
Insgesamt ist der Preisrutsch im Lebensmittelbereich immens. Woran liegt das?
Schmidt: Das russische Import-Verbot für europäische Lebensmittel führt zu einem Überangebot. Aber Putin ist nicht an allem schuld. Der Anstieg der Produktion ist insgesamt sehr stark ausgefallen. Kehren wir noch mal zurück zur Milch — da hatten wir 2014 ein Feuerwerk der Milchproduktion.
Sind die Verbraucher mitverantwortlich, weil sie möglichst billig einkaufen wollen?
Schmidt: Es gibt eine gewisse Widersprüchlichkeit zwischen dem allgemeinen Empfinden, dass es gute, gesunde, frische und regionale Lebensmittel geben soll und einem Wettbewerb, der nicht über Qualität, sondern über den Preis geht. Aber: Der mentale Wechsel hat begonnen. Immer mehr Verbraucher sind bereit, für gut erzeugte Lebensmittel mehr zu bezahlen.
Worauf stützen Sie das?
Schmidt: Unsere jüngste Verbraucher-Umfrage zeigt: 79 Prozent haben eine hohe bis sehr hohe Bereitschaft, höhere Ausgaben in Kauf zu nehmen, wenn es dem Tierwohl nutzt. Die meisten davon, 39 Prozent, sind bereit, 20 Prozent mehr zu bezahlen. Allerdings braucht keiner zu befürchten, dass es durch mehr Tierwohl oder eine besonders schonende Erzeugung zu einem solchen Preissprung kommen wird. Meine Sorge ist, dass der Billig-Wettbewerb zu Produktionsverlagerungen in andere Länder führt. Kommt es so, wird irgendwann vielleicht mal deutsches Fleisch und Gemüse in den Läden rar werden. Das nutzt dem Tierwohl nicht.
Welche Rolle spielt dabei, dass der Lebensmittelhandel in der Hand weniger Konzerne ist?
Schmidt: Diese Konzentration sehe ich mit Sorge. Das Kartellamt hat in einer Sektoruntersuchung festgestellt, dass 85 Prozent des Handels zu vier Ketten gehört. Das nähert sich dem Oligopol. Ich sehe aber auch Bemühungen des Lebensmitteleinzelhandels, gemeinsam mit Erzeugern und Verarbeitern eine nachhaltige Produktionskette anzubieten.
Aber von echtem Wettbewerb kann doch keine Rede sein.
Schmidt: Es muss schon viel dafür getan werden, dass der Wettbewerb bleibt. Ich sehe die Nischen in der Regionalisierung — auch für den Verbraucher.