Lieberknecht: Einwohnerschwund größtes Problem für Ost-Länder
Erfurt (dpa) - Die Europäische Union und der Bund müssen nach Ansicht von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) den drastischen Einwohnerschwund im Osten künftig bei Förderprogrammen und rechtlichen Standards berücksichtigen.
„Die Herausforderung durch die demografische Situation ist in Ostdeutschland am schärfsten ausgeprägt“, sagte sie in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Abwanderung und Geburtenrückgang seien noch eine Folge des Transformationsprozesses nach der Wende und ohne jedes historische Beispiel. „Einen Solidarpakt Ost wird es aber nach 2019 nicht mehr geben“, sagte sie mit Blick auf die dann auslaufende Finanzvereinbarung zugunsten der neuen Länder.
Inzwischen gebe es auch im Osten Wachstumsregionen und Gebiete im Westen mit Entwicklungsdefiziten. Mit Blick auf diese „differenzierte Entwicklung“ wäre ein nur auf den Osten ausgerichtetes System nicht mehr sachgerecht. „Ein neues Verteilungssystem muss bedarfsorientiert und unabhängig von geografischen Lagen funktionieren.“
Der Einwohnerschwund treffe die neuen Länder deutlicher stärker als die alten. „Das ist keine spezifische Ostproblematik, aber in dieser Massivität sind wir als ostdeutsche Länder doch in einer gewissen Pioniersituation.“ Dieses Problem müssten die Ost-Länder in Zukunft noch schärfer gegenüber EU und Bund artikulieren.
An diesem Montag treffen sich die Ministerpräsidenten der Ost-Länder in Berlin mit dem Ost-Beauftragten der Bundesregierung Christoph Bergner (CDU). Lieberknecht ist derzeit Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.
Die Entwicklung treffe alle Ostländer gleichmäßig, sagte Lieberknecht. In Thüringen wird nach Vorausberechnungen die Einwohnerzahl von derzeit 2,2 Millionen in weniger als 20 Jahren um rund 400 000 abnehmen. 2060 werden nach Berechnungen des Statischen Bundesamtes im Osten ein Drittel weniger Menschen leben als heute. Im Westen werde mit einem Rückgang von 18 Prozent gerechnet.
Die Klage Bayerns und Hessens gegen den Länderfinanzausgleich habe den verabredeten Reformprozess des 2019 auslaufenden Systems bisher nicht beeinflusst, sagte Lieberknecht. „Wir lassen uns durch die Klage in den Vorbereitungen nicht bremsen, denn wir können nicht auf unbestimmte Zeit die Hände in den Schoß legen.“ Auch die in Karlsruhe klagenden Länder arbeiteten unverändert mit.