Kipping vs. Wagenknecht Linke streitet über Flüchtlingspolitik
Berlin (dpa) - Linke-Chefin Katja Kipping will nach dem anstehenden Bundesparteitag in Leipzig keine internen Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik mehr dulden.
„Die Frage wird dort geklärt, und danach sind alle aufgerufen, dass man einen Strich unter die bisherigen Auseinandersetzungen ziehen möge und nach vorne schaut“, sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie ermahnte dazu, die Partei nicht zu schädigen. „Die Linke hat das Potenzial, die gesellschaftliche Dynamik nach links zu verschieben“, sagte sie. „Wenn die Linke aber schlechtgeredet oder angegriffen wird, und damit auch die Leistung der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter geschmälert wird, dann weckt das in mir Löwenmutter-Reflexe.“
Diese Ansage dürfte vor allem an Fraktionschefin Sahra Wagenknecht gerichtet sein, mit der sich Kipping seit langem heftige öffentliche Kämpfe liefert. Insgesamt plagt die Linke ein Zerwürfnis zwischen der Parteispitze und der Fraktionsführung. Für Streit sorgt unter anderem Wagenknechts Ankündigung, eine linke Sammlungsbewegung zu gründen. Die Parteiführung lehnt die Idee ab, weil sie fürchtet, die Linkspartei damit überflüssig zu machen.
Kipping und ihr Co-Vorsitzender Bernd Riexinger werfen Wagenknecht auch vor, sich in der Flüchtlingspolitik von linken Positionen zu verabschieden. Wagenknecht beklagt, die Linke erreiche bestimmte Milieus nicht mehr, und warnt unter anderem vor offenen Grenzen für alle und einer unbegrenzten Migration in den deutschen Arbeitsmarkt.
„Seit Schließung der Wahllokale bei der Bundestagswahl gab es monatelang von einigen die öffentlich vorgetragenen Forderungen nach einer grundlegenden Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik“, beklagte Kipping. Sie teile das nicht. „Wir entscheiden das aber nicht allein, sondern geben das an den Parteitag als Souverän.“
Die Linke kommt am Freitag in Leipzig zu einem dreitägigen Parteitag zusammen. Die Führung wird dort neu gewählt. Kipping und Riexinger stellen sich zur Wiederwahl. Angesetzt ist auch eine Generaldebatte, in der die Migrationspolitik eine größere Rolle einnehmen dürfte.
Im Leitantrag des Parteivorstands ist in der Flüchtlingspolitik ein „Dreiklang“ festgeschrieben: die Bekämpfung von Fluchtursachen, offene Grenzen für Flüchtlinge und eine „soziale Offensive“ für alle Menschen im Land, um soziale Verwerfungen zu verhindern.
Kipping betonte, in dem Antrag stehe auch die klare Grundhaltung, dass Deutschland eine solidarische Einwanderungsgesellschaft sei. „Da steht nicht drin, dass Arbeitsmigranten draußen bleiben sollen.“
Hinter dem Streit stehe eine grundlegende Frage, sagte sie. „Es geht darum, ob wir als Linke an der Seite aller Entrechteten stehen, egal welchen Pass sie haben - oder ob wir zu allererst für die deutschen Armen zuständig sind.“ Ihrer Meinung nach müsse die Linke alle Menschen vor Armut schützen, egal woher sie kämen.
„Ich hätte mir gewünscht, dass die internen Kritiker unserer Flüchtlingspolitik ihre Position auf dem Parteitag inhaltlich zur Abstimmung stellen“, sagte Kipping. „Darauf haben sie, warum auch immer, verzichtet. Stattdessen versuchen sie nun, mit semantischen Feinheiten etwas umzudeuten.“ Wagenknecht hatte zuletzt erklärt, der Leitantrag sei für sie unproblematisch, weil dort nicht von „offenen Grenzen für alle“ die Rede sei.
Auch bei der Personalaufstellung gibt es Spannungen. Kipping und Riexinger haben als künftigen Bundesgeschäftsführer den Vize-Parteichef aus Sachsen-Anhalt, Jörg Schindler, vorgeschlagen. Gegen ihn tritt überraschend ein Gegenkandidat an, der frühere Bundestagsabgeordnete Frank Tempel.