Merkel mahnt Rot und Schwarz zu Kompromissen

Berlin (dpa) - Über vieles ist man sich schon einig, aber die Knackpunkte kommen erst noch: Zwei Monate nach der Bundestagswahl gehen die Verhandlungen über eine neue große Koalition in die entscheidende Phase.

Kanzlerin Angela Merkel mahnt beide Seiten zu Kompromissen.

Der Koalitionsvertrag soll Mitte nächster Woche stehen. Einig ist man sich inzwischen darin, dass der Bund von 2015 an ohne neue Schulden auskommen soll. Neue Steuererhöhungen soll es nicht geben. Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll allerdings um bis zu einen halben Prozentpunkt steigen.

Nach dem siebten Treffen in großer Runde zeigten sich die Generalsekretäre der drei Parteien vorsichtig optimistisch. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte aber auch: „Die schwierigen Verhandlungen kommen erst am Schluss.“ SPD-Kollegin Andrea Nahles sprach von „steigender Nervosität“. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt meinte: „Die Knackpunkte kommen erst noch.“ Er fügte hinzu: „Ich will diese große Koalition. Ich weiß aber auch, dass man auf den letzten Metern zum Gipfelkreuz immer noch abstürzen kann.“

Zwei Monate nach der Bundestagswahl machte Merkel nochmals deutlich, dass eine Neuauflage der großen Koalition auch für sie „kein Herzenswunsch“ sei. Union und SPD müssten aber das Wahlergebnis respektieren. „Die Wähler haben weder dem Wirtschaftsflügel der CDU die absolute Mehrheit gegeben noch dem linken Flügel der SPD. Nur in der Summe zusammen kommen wir zu einer Regierungsfähigkeit.“

Die Gespräche kamen zuletzt nur noch mühsam voran. Angesichts der bislang erzielten Ergebnisse gab es in den vergangenen Tagen von verschiedenen Seiten zunehmend Kritik. Auch in der SPD, die die Entscheidung über ein neues schwarz-rotes Bündnis in die Hände ihrer Mitglieder legen will, wächst die Unzufriedenheit.

Merkel betonte auf einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“, keiner der möglichen Partner werde seine Vorstellungen ganz umsetzen können. „Auch ich werde Sachen zustimmen müssen, die ich von Haus aus nicht für richtig gehalten habe.“ Als Beispiel nannte sie den flächendeckenden Mindestlohn, den die SPD zu einer der Grundbedingungen für ein neues schwarz-rotes Bündnis erklärt hat.

Als „zentrales Projekt“ für die nächsten vier Jahre bezeichnete Merkel den Abbau der Staatsschulden. Erklärtes Ziel von Union und SPD ist es, dass der Bund von 2015 an ohne neue Schulden auskommt. Der Schuldenstand Deutschlands soll bis Ende 2017 auf unter 70 Prozent der Wirtschaftsleistung gesenkt werden - von derzeit rund 80 Prozent. Die gemeinsamen Ausgabenwünsche belaufen sich bisher allerdings auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Summe soll nächste Woche auf unter 10 Milliarden Euro gedrückt werden.

Einig ist man sich im Grundsatz darin, dass die Pflegebeiträge im Volumen von bis zu rund fünf Milliarden Euro pro Jahr angehoben werden sollen. Dazu sollen die Beiträge nach Gröhes Worten um bis zu 0,5 Prozentpunkte steigen. Strittig ist noch, ob dies schrittweise geschieht und ob ein Teil davon in eine Kapitalrücklage fließt. Die SPD lehnt dies ab. Derzeit gilt ein Satz von 2,05 Prozent, für Kinderlose von 2,3 Prozent des Brutto-Einkommens.

Union und SPD verständigten sich ferner darauf, die Asylverfahren in Deutschland zu beschleunigen. Bislang ziehen sich die Verfahren oft über Monate hin. Künftig sollen sie nicht mehr länger als drei Monate dauern. Einig ist man sich auch darin, Kliniken stärker nach Qualität auszurichten, rasche Facharzttermine zu garantieren und Pflegeleistungen auf alle Demenzkranke auszuweiten.

Nach neuesten Planungen will die SPD das Ergebnis ihres Mitgliedervotums nun schon am Abend des 14. Dezember bekanntgeben. Bisher war der 15. Dezember angepeilt worden. Wahlberechtigt wären insgesamt 473 000 Parteimitglieder. Die Bildung der neuen Bundesregierung ist dann für den 17. Dezember geplant. Am gleichen Tag will sich Merkel im Bundestag der Wiederwahl stellen. Die CDU-Vorsitzende war bereits von 2005 bis 2009 Chefin einer großen Koalition.

Die weiteren Personalfragen sollen nächste Woche geklärt werden - auch, welche Rolle SPD-Chef Sigmar Gabriel in einer neuen schwarz-roten Koalition spielen soll. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer machte im „Münchner Merkur“ (Freitag) aber deutlich, dass die CSU wieder drei Ministerposten haben will. Einen der Posten soll der bisherige Generalsekretär Dobrindt bekommen.