Merkel und Monti wollen Krise gemeinsam lösen
Rom/Berlin (dpa) - Die Beschlüsse des EU-Gipfels sorgen für Zündstoff - doch Kanzlerin Angela Merkel betont bei einem Treffen mit Italiens Premier Mario Monti: Nur gemeinsam ist Europa stark. Doch auch an der „Heimatfront“ wächst die Unruhe, besonders ein Bayer poltert mal wieder.
Die Bundeskanzlerin sicherte Italien ungeachtet der jüngsten Misstöne Solidarität im Kampf gegen die hohe Staatsverschuldung zu. Italien habe schon sehr wichtige Reformweichen zur Lösung der Schuldenkrise gestellt, sagte Merkel am Mittwoch nach einem Treffen mit Italiens Premierminister Mario Monti in Rom. Es gehe dem Exportland Deutschland nicht gut, wenn es Europa nicht gut gehe. Wegen der jüngsten Zugeständnisse bei den Auflagen für Krisenstaaten wächst aber der Unmut bei der CSU.
Monti sieht „im Moment“ keinen Bedarf an Finanzhilfen für sein Land. Neben dem beim EU-Gipfel beschlossenen Wachstumspakt mit einem Volumen von 120 Milliarden Euro seien aber auch kurzfristige Maßnahmen für mehr Stabilität in der EU notwendig. „Wir haben diese Entscheidungen einstimmig getroffen“, sagte Monti. Er bezog sich damit auf die von Italien, Spanien und Frankreich beim EU-Gipfel durchgesetzten Aufweichungen bei Finanzhilfen für Krisenländer und mögliche Geldspritzen für Banken über den Rettungsschirm ESM.
Merkel betonte, dass in Europa natürlich unterschiedliche Interessen vorhanden seien, aber man gemeinsam an Lösungen arbeiten müsse. Wichtig sei, dass dies alles auf Grundlage der geltenden Regeln stattfinde. Monti versicherte Merkel: „Die italienische Regierung ist entschlossen, den Weg der Verschuldungseindämmung weiterzugehen“. Unter anderem verwies er auf weitere Arbeitsmarktreformen und Steuererhöhungen. „Es ist mir jedes Mal immer wieder eine Freude, mich mit Angela Merkel zu treffen“, betonte Italiens Premier.
Eine mögliche Aufweichung der deutschen Europolitik sorgt für Misstöne in der schwarz-gelben Koalition. Nach harscher Kritik von Opposition und FDP sah sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch zu einer Klarstellung gezwungen: Er habe das Wort Koalitionsbruch nie in den Mund genommen, und er habe auch nicht die Absicht, dies zu tun, sagte Seehofer in München.
Er hatte zuvor in einem Interview des Magazins „Stern“ zur Euro-Krise gesagt, die CSU könne in der Zukunft weitere Hilfszusagen an Schuldenstaaten ohne Auflagen nicht mittragen. Ohne CSU habe die Koalition keine Mehrheit. Das war in CSU, FDP und Medien als Drohung verstanden worden. Seehofer sprach sich zudem gegen einen „europäischen Monsterstaat“ und für ein Europa der Regionen aus.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) entgegnete in der „Südwest Presse“ dazu: „Das unbedachte Wort vom europäischen Monsterstaat beschädigt das große Projekt eines Europa der Heimatländer als politischer Union.“ Europa sei „kein Monster, sondern unsere Zukunft und unsere Wohlstandsversicherung“.
Die Deutschen sind einer Umfrage zufolge weiter europafreundlich, lehnen aber eine Abtretung zu vieler Souveränitätsrechte an die Europäische Union ab. 74 Prozent wollen nach einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ nicht, dass die EU langfristig zu einem Bundesstaat, also einer Art Vereinigte Staaten von Europa wird. Trotz Eurokrise glauben aber 54 Prozent, dass die EU den Deutschen bisher eher genutzt hat.
In der CSU-Landesgruppe im Bundestag reichten die Reaktionen über Seehofers Aussagen von „Kopfschütteln bis Verärgerung“, hieß es. Die SPD warf Seehofer vor, eine verantwortungsvolle Lösung der Euro-Krise zu torpedieren. „Herr Seehofer droht bei jeder Gelegenheit mit dem Koalitionsbruch“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles der dpa. „Wie lange will Frau Merkel sich noch erpressen lassen?“, so Nahles.
Die umstrittene Ausweitung des ESM auf Banken ist nach Ansicht des CDU-Europapolitikers Gunther Krichbaum noch lange nicht in trockenen Tüchern. „Die Umsetzung der Brüsseler Gipfelbeschlüsse werden sich noch als sehr, sehr schwierig herausstellen“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag der dpa. Großbritannien werden wegen seines Finanzplatzes London wohl kaum mitmachen bei einer EU-Bankenaufsicht, die Voraussetzung für direkte Bankenhilfen wäre.
Die SPD droht unterdessen mit einem Nein zu den geplanten Hilfen für Spaniens Banken, über die der Bundestag in einer Sondersitzung wohl Ende Juli entscheiden muss. Die Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro sollen über den bisherigen Rettungsschirm EFSF abgewickelt werden - auch hier sind die Details noch unklar. „Merkel wird nicht dauerhaft, und auf keinen Fall bei dieser unausgegorenen Idee, auf die Zustimmung der SPD setzen können“, sagte der Haushaltsexperte der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, „Spiegel online“.
Merkel ist zwar nicht auf SPD-Stimmen angewiesen, aber wegen der Unruhe im eigenen Lager wäre der Beschluss für die Hilfen mit Unterstützung der Opposition einfacher zu bewerkstelligen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gab sich gelassen: „Es ist uns bisher noch immer gelungen, die notwendige Mehrheit zu bekommen.“