Merkel will Stromrabatte für die Industrie kappen
Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Stromrabatte für die Industrie begrenzen und damit die Bürger bei den Stromkosten entlasten.
Die Regierung sei bereits dabei, die Netzentgeltverordnung zu reformieren, sagte sie am Donnerstag nach einem Spitzentreffen mit Wirtschaft und Umweltverbänden zur Energiewende im Kanzleramt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die Befreiung von besonders stromintensiven Unternehmen bei den Netzkosten für nichtig erklärt.
Die Verbraucher zahlen die Netzentgelt-Befreiung bisher über ihren Strompreis mit. Die SPD warf Merkel Versagen bei der Energiewende vor und warnte die Regierung vor einem zu starken Kappen der Industrie-Rabatte. Die Bundesregierung plant, die komplette Befreiung rasch aufzuheben. Große Unternehmen sollen künftig gestaffelt nach Verbrauch geringe Netznutzungskosten zahlen, im Gespräch sind rund 10 bis 20 Prozent der normalen Netzkosten.
So könnten die Bürger etwas entlastet werden. Bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden schlägt die Umlage zur Finanzierung der Netzkosten-Ausnahmen derzeit mit etwa 11,50 Euro pro Jahr zu Buche. Die EU-Kommission prüft, ob es sich um unerlaubte Beihilfen handelt. Merkel betonte, man sei in intensiven Gesprächen mit der Kommission. In diesem Jahr wird das Volumen der Rabatte und Befreiungen bei den Netzentgelten mit 800 Millionen Euro beziffert (2012: 440 Mio.).
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will zudem Rabatte bei der Förderung erneuerbarer Energien für die Industrie um bis zu 700 Millionen Euro kappen, damit die Strompreise von Mittelstand und Bürgern nicht weiter steigen. Merkel betonte aber, dass bestimmte Ausnahmen für die energieintensive Industrie weiter notwendig seien. „Wir müssen ein faires Verfahren finden, um die wirklich im weltweiten Wettbewerb stehende Industrie nicht zu benachteiligen.“
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lobte die Bereitschaft der Umweltverbände, einen schnelleren Netzausbau zu unterstützen. Es werde eine Klärungsstelle eingerichtet, um Klageverfahren zu verkürzen, sagte er nach dem Treffen. „Wir sind im Zeitplan“, betonte er. Planungs- und Bauzeiten bei neuen Trassen sollen von zehn auf vier Jahre verkürzt werden. In den nächsten Jahren sollen drei neue Stromautobahnen von Nord nach Süd mit einer Länge von 2800 Kilometern entstehen. 2900 Kilometer im Höchstspannungsnetz sollen so optimiert werden, dass Wind- und Solarstrom besser verteilt werden können.
Merkel betonte, es gebe nun eine feste Struktur zwischen Bund, Ländern, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um gemeinsam die Energiewende besser zu steuern. „Es gab keinen Zweifel daran, dass wir eine erfolgreiche Energiewende wollen.“ Das Ganze sei aber ein Prozess mit vielen Einzelschritten. Es gebe inzwischen Plattformen für Kraftwerksbau, erneuerbare Energien, Netze und Energieforschung. Mit den Ministerpräsidenten soll es halbjährliche Treffen geben, mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft jährliche Treffen.
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, warnte vor einer zu starken Belastung der Industrie. „Wir sind für eine faire Lastenverteilung.“ Aber Industrie, Handel und Dienstleistungen stemmten schon die Hälfte der Förderkosten für erneuerbare Energien. Der Präsident des Deutschen Naturschutzringes, Hartmut Vogtmann, warnte vor einem Abwürgen des Ausbaus erneuerbarer Energien durch die geplante „Strompreisbremse“. „Lieber langsam machen und eine Reform erarbeiten, die solide ist“, sagte er.
Altmaier will durch ein Einfrieren der im Strompreis enthaltenen Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien die Kosten in den Griff bekommen. Dazu soll es auch eine Kappung der Windstromvergütungen an Land geben. Hierüber soll bei einem Bund-Länder-Treffen im Kanzleramt am 21. März eine Entscheidung fallen. Zudem ist laut Altmaier eine „ambitionierte“ Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes notwendig. Dies müsse aber sorgfältig vorbereitet werden. „Von der Wirtschaft bis zu den Umweltverbänden sollen da alle miteinbezogen werden.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: „Es ist jetzt das dritte Mal, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Energiepolitik zur Chefsache machen will. Ich hoffe, sie tut es mal. Bisher hat sie es immer nur angekündigt.“ Merkel habe die Energiewende persönlich an die Wand gefahren. „Das ist eine Katastrophe, was wir nicht nur bei den Strompreisen erleben, sondern die Versorgungssicherheit ist gefährdet“, sagte Gabriel in Kiel.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) warnte die Regierung vor zu starken Einschnitten für die Industrie. Sonst werde die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gefährdet. „Die Energiepreise werden immer mehr zu einem entscheidenden Faktor, ob Investitionen noch in Deutschland oder anderswo stattfinden.“ Die Grünen warfen der Regierung hingegen eine einseitige Belastung der Bürger vor. „Die Merkel-Koalition hat aus dem Gesetz für erneuerbare Energien eine Subventionsmaschine für ihre Wirtschaftsklientel gemacht“, sagte Fraktionschef Jürgen Trittin dem Sender n-tv.