Merkels Athen-Reise: Zwischen Solidarität und Volkszorn
Berlin/Athen (dpa) - Vor der Griechenlandreise von Angela Merkel (CDU) haben Vertreter von SPD und Grünen die Bundeskanzlerin vor Überheblichkeit gewarnt. Europarlamentspräsident Martin Schulz (SPD) ermahnte sie, nicht als „reicher Onkel“ in Athen aufzutreten.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte Merkel auf, den Griechen deutlich zu machen, „dass sie auf dem harten, vor ihnen liegenden Weg auf die europäische Solidarität zählen können“.
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte die Reise als Routinebesuch dargestellt, der aber selbstverständlich unter dem Eindruck der sehr schwierigen Situation des Landes stehe: „Wir wollen Griechenland helfen“, sagte er am Freitag. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einem „Akt der Anerkennung für die griechische Regierung, die mit ihrer Reformpolitik unter großem Druck steht“. Die Griechen hätten Fairness und Respekt verdient, mahnte er in der „Bild“-Zeitung“ (Montag) mit Blick auf Kritik an mangelndem Reformwillen der Regierung Samaras.
In Griechenland selbst wird der Merkel-Besuch mit Spannung erwartet. Die linke Opposition und die Gewerkschaften mobilisieren nach Aussagen ihren führenden Mitglieder „alles, was sie haben“, um am Dienstag den Volkszorn gegen die Sparmaßnahmen zu zeigen. Die Zeitung der linken Oppositionspartei Syriza titelte am Sonntag: „Merkel kommt, die Regierung geht“.
7000 Polizisten sollen laut Medienberichten in der griechischen Hauptstadt für Recht und Ordnung sorgen, wenn Merkel ihren ersten offiziellen Besuch in Athen seit Ausbruch der Finanzkrise absolviert. Notfalls sollen auch Wasserwerfer zum Einsatz kommen. Auch sei die Rede von vorbeugenden Festnahmen.
Die Zeitung „Ta Nea“ veröffentlichte eine Karikatur der Kanzlerin, auf der sie sich mit einer Gasmaske gegen Tränen- und Reizgas rüstet. In der anderen Hand hält Merkel Geld. Das konservative Blatt „Kathimerini“ fragte: „Was bringt Merkel mit?“. Die Zeitung geht davon aus, dass Merkel auf Reformen und Maßnahmen zur Konsolidierung der griechischen Finanzen pochen wird. Die Regierung unter Premier Antonis Samaras hofft ihrerseits auf eine politische Entscheidung für die Fortsetzung der Hilfe an das von der Pleite bedrohte Land.
Eu-Parlamentspräsident Schulz riet Merkel in der „Leipziger Volkszeitung“ (Montag), den Griechen zu vermitteln, „dass wir in gegenseitigem Interesse helfen und nicht als reicher Onkel, der alles besser weiß“. Europa müsse den Euro und den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone verteidigen, wenn es „nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden“ wolle.
Grünen-Fraktionschef Trittin verlangte in der „Welt am Sonntag“, die Kanzlerin müsse Scharfmacher in den eigenen Reihen an die Kandare nehmen. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sagte der „Welt“: „Wenn Frau Merkel jetzt kein Steuergeld verbrennen will, muss sie Griechenland im Euro halten.“
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte Merkel auf, sich in Athen auch mit dem linken Oppositionsführer Alexis Tsipras und Gewerkschaftsvertretern zu treffen. „Wenn sie dem Widerstand gegen die brutalen Kürzungen nicht mal ein Ohr schenkt, verschärft sie die Polarisierung im Land“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag). In Griechenland drohe spätestens im Winter „eine humanitäre Katastrophe, auf die Europa eine Antwort finden muss“.