Müllskandal holt Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff ein
Magdeburg (dpa) - Lautstarke Proteste gegen Einsparungen, ein selbstbewusster Koalitionspartner und nun auch noch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) steht zu Beginn der heißen Wahlkampfphase zur Bundestagswahl unter Druck.
Während des Hochwassers mit seinen Schäden von rund 2,7 Milliarden Euro allein in Sachsen-Anhalt konnte sich der 59-Jährige hinter den Kulissen als Krisenmanager bewähren. Doch nun sieht sich Haseloff zahlreichen Vorwürfen ausgesetzt.
Dabei stammt das jüngste Ungemach gar nicht mal aus seiner gut zweijährigen Amtszeit als Regierungschef. Es geht um die Zeit, als er Wirtschaftsminister war und Investoren in das Land locken wollte. In einem Untersuchungsausschuss des Landtags sagte er damals im Juni 2010 zur Frage, wieso Tausende Tonnen Müll illegal auf verschiedenen Deponien landeten: Hinweise auf Probleme in zwei Tongruben seien ihm von Beamten zunächst nicht mitgeteilt worden, erst im März 2008 habe er davon erfahren.
Doch der Linken-Abgeordnete Harry Czeke bezweifelt dies nun in einer Strafanzeige. Haseloff habe bereits im Dezember 2007 von den Vorwürfen gewusst, schreibt er an die Staatsanwaltschaft. Die Justiz geht dem Verdacht der falschen uneidlichen Aussage nach und leitet ein Ermittlungsverfahren ein, wie ein Regierungssprecher mitteilt. Der Landtag hebt Haseloffs Immunität auf - ohne Prüfung der Vorwürfe.
Rückendeckung erhält Haseloff vom Koalitionspartner SPD. „Wir haben keinerlei Erkenntnisse, dass man an der Aussage von Herrn Haseloff zweifeln sollte“, sagt Vize-Fraktionschef Rüdiger Erben am Dienstag. Auch CDU-Fraktionschef André Schröder sagt: „Ich wünsche mir eine möglichst schnelle Aufklärung der Vorwürfe, die ich selbst in der Sache für unzutreffend halte.“ Dagegen stützen die Grünen die Linksfraktion. „Ministerpräsident Reiner Haseloff trägt die Verantwortung für den Müllskandal, das ist schon lange unsere Einschätzung“, erklärt Fraktionschefin Claudia Dalbert.
Der Müllskandal beschäftigt die Justiz in Sachsen-Anhalt auch noch in anderen Formen. So wurde Anklage erhoben gegen Verantwortliche der Tongruben, der Prozess steht laut Landgericht Stendal aber noch aus. Zu Aussagen im Untersuchungsausschuss wurde hingegen sogar schon ein Urteil gefällt: Der Landrat des Jerichower Landes, Lothar Finzelberg (parteilos), erhielt 14 Monate auf Bewährung wegen Falschaussage. Die Berufungsverhandlung soll am 7. August in Stendal beginnen.
Aspekte zu Haseloffs Arbeit als Wirtschaftsminister versucht auch ein weiterer Untersuchungsausschuss aufzuklären. Dabei geht es um die Frage, wieso Fördermittel für die Qualifizierung von Arbeitnehmern in Dessau-Roßlau in dunklen Kassen verschwanden. Haseloff hatte eine Verstrickung bestritten. „Man kennt mich inzwischen hier in diesem Landtag zehn Jahre. Und jeder von Ihnen weiß, was ich mache und was ich nie mache“, sagte Haseloff einmal.
Seit der einstige Arbeitsamtdirektor Haseloff vor gut zwei Jahren zum neuen Regierungschef aufstieg, lässt die Opposition kein gutes Haar an ihm. Seine oft bürokratische Sprache bringt ihm immer wieder Kritik ein. „Das muss zwischenmenschlich noch nachgearbeitet werden“, räumte er ein, nachdem er seine Wirtschaftsministerin im April im Streit um den Sparkurs per Telefon statt im persönlichen Gespräch gefeuert hatte.
Selbst der Koalitionspartner SPD geht immer wieder deutlich auf Distanz zu Haseloff. Das Land müsse von der Koalition besser verkauft werden, statt in der Spardebatte ein Schreckensszenario nach dem andern aufzuzeigen, forderte SPD-Fraktionschefin Katrin Budde jüngst. „Der Motor läuft nicht ganz rund“, meint auch ihr Vize Erben. Vor allem Studenten äußerten zuletzt lautstarke Kritik am Sparkurs.
Die Bewältigung des Hochwassers verlief einfacher. Haseloff verhandelte auf dem Höhepunkt der Flut in Bitterfeld mit dem Nachbarland Sachsen, damit die Stadt nicht durch Deichbrüche in Sachsen geflutet wird. Eine Katastrophe wurde verhindert. Inzwischen haben Bund und Länder finanzielle Hilfen in Milliardenhöhe für den Wiederaufbau zugesagt.