Die Familienpflegezeit — zu unsicher und kaum nachgefragt
Seit eineinhalb Jahren können Berufstätige ihre Angehörigen zu Hause betreuen. 2013 gab es bislang 71 Interessenten.
Berlin. Die seit 2012 geltende Familienpflegezeit ist offenbar ein Flop. Nach Auskunft der Bundesregierung haben im laufenden Jahr bislang lediglich 71 Menschen beim zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln einen entsprechenden Versicherungsantrag gestellt, der für die Nutzung dieser Pflege-Auszeit vorgeschrieben ist. 2012 kamen dort 102 Versicherungsabschlüsse zustande. Das geht aus einer Stellungnahme des Bundesfamilienministeriums zu einer Anfrage der Linken hervor, die unserer Zeitung vorliegt.
Die im Herbst 2011 beschlossene Familienpflegezeit richtet sich an Beschäftigte, die bei geringerem Verdienst ihre hilfebedürftigen Angehörigen vorübergehend betreuen. Mit dem Gesetz hatte Familienministerin Kristina Schröder hohe Erwartungen verknüpft. Rund 44 000 Arbeitnehmer, so die Prognose der CDU-Politikerin, würden pro Jahr von der Neuregelung Gebrauch machen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Nicht nur das Bundesamt in Köln bietet Versicherungen für die Familienpflegezeit an, sondern auch drei weitere Anbieter sind dafür zugelassen. Doch kam es bei ihnen 2012 nur zu acht Vertragsabschlüssen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es 2,5 Millionen pflegebedüftige Menschen, von denen zwei Drittel daheim versorgt werden.
Laut Gesetz können Beschäftigte für die Pflege eines Angehörigen ihre Wochenarbeitszeit für maximal zwei Jahre reduzieren. Wer etwa nur halbtags arbeitet, bekommt trotzdem 75 Prozent vom letzten Bruttogehalt. Das zu viel gezahlte Geld muss nach der Pflegephase an den Arbeitgeber zurückgezahlt werden — in Form von Arbeitszeit.
Um den Arbeitgeber vor Ausfallrisiken etwa durch Erwerbsunfähigkeit des Mitarbeiters zu schützen, muss der Beschäftigte besagte Versicherung abschließen. Auf die Pflegezeit bestehen kann der Beschäftigte nicht. Sie ist eine freiwillige Leistung der Betriebe. Für Kritiker ist das der Grund für das Schattendasein des Gesetzes.
Nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, sorgt auch die zeitliche Begrenzung auf zwei Jahre für Akzeptanzprobleme. Die pflegenden Angehörigen wüssten gar nicht, wie lange sie daheim gebraucht würden. „In so einer Situation den Arbeitgeber um eine teilweise Freistellung zu bitten, ist für viele schwierig“, sagte Westerfellhaus. Die Planungsunsicherheit belaste auch die Betriebe.
SPD-Fraktionsvize Elke Ferner gab zu bedenken, dass sich viele Menschen aus finanziellen Gründen keine Verkürzung ihrer Arbeitszeit leisten könnten. Besser sei es, die Bezahlung als Lohnersatzleistung zu gewähren. „Das heißt, der Verdienstausfall muss von der Pflegeversicherung getragen werden“, sagte Ferner.