Nahles gegen Kritiker: Rente wird nicht geschenkt
Berlin (dpa) - Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat das milliardenschwere Rentenpaket von Schwarz-Rot gegen alle Kritiker verteidigt - auch gegen Altkanzler Gerhard Schröder. Der sieht in der geplanten Rente ab 63 für Arbeitnehmer, die 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, „ein absolut falsches Signal“.
Die Äußerungen finden sich in einem Mitte Februar erscheinenden Buch Schröders, aus dem die „Bild“-Zeitung (Mittwoch) vorab Passagen abdruckte. Darin wirft Schröder die Frage nach der Finanzierung des Ganzen und drohenden Beitragserhöhungen auf. Auch wundere ihn, dass sich die Frauen zur abschlagfreien Rente ab 63 nicht zu Wort gemeldet hätten, denn das Ergebnis sei eindeutig: „Der männliche Facharbeiter, relativ gut verdienend, wird das nutzen können, Frauen eher weniger, weil die meistens gar nicht auf die 45 Beitragsjahre kommen.“
Nahles sagte dazu: „Ich habe ihm immer deutlich in der Vergangenheit auch meine Meinung gesagt zu seinen Gesetzentwürfen. Da kann ich mich jetzt nicht beschweren, wenn er das auch umgekehrt zu meinen macht.“ Inhaltlich ging sie auf die Kritik aber nicht ein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich ausdrücklich hinter das Vorhaben. Schon bei der Einführung der Rente mit 67 sei eine vorzeitige Rente nach 45 Beitragsjahren berücksichtigt worden. Jetzt werde dies modifiziert, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. „Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit Schwachen, (...) wenn sie alt sind und wenn sie krank sind.“
Nahles betonte, mit dem Vorhaben werde die Koalitionsvereinbarung „eins zu eins“ umgesetzt. Nach der Kabinettszustimmung zeigte sie sich zuversichtlich, dass das Paket trotz noch offener Fragen Mitte des Jahres in Kraft treten kann. „Wir können zum 1. Juli tatsächlich auch liefern.“ Der Gesetzentwurf sei „rentensystematisch sauber, finanzierbar und umsetzbar“.
Sie machte sich auf längere Sicht erneut für eine stärkere Steuerfinanzierung der Rente stark. Der Steuerzuschuss von bis zu zwei Milliarden Euro jährlich, der zwischen 2019 und 2022 in die Rente zusätzlich fließen soll, stelle sicher, dass die Obergrenzen für den Rentenbeitrag - 20 Prozent bis 2020, 22 Prozent bis 2030 - eingehalten würden. Derzeit schießt der Bund pro Jahr gut 80 Milliarden aus Steuern in die Rente.
Insgesamt schlagen die geplanten Leistungsverbesserungen bis 2030 mit jährlich neun bis elf Milliarden Euro zu Buche. Bezahlt werden soll alles zunächst aus der gut gefüllten Rentenkasse. Erstaunt zeigte sich die Ministerin darüber, dass die Zustimmung zu dem Gesetzespaket in Umfragen über alle Altersgruppen hinweg mit 90 Prozent „sehr, sehr hoch“ sei. Dies gelte vor allem für die mit 6,7 Milliarden Euro teuerste Maßnahme, die Mütterrente. „Aus meiner Sicht gibt es offensichtlich auch etwas wie Generationen-Solidarität, was wir hier spüren.“
Mit der besonders umstrittenen abschlagfreien Rente ab 63 für langjährig Versicherte werde den Betroffenen „nichts geschenkt“, sagte Nahles. „Diese Rente ist verdient.“ Nahles räumte ein, dass es ihr bislang nicht gelungen sei, eine verfassungskonforme Lösung gegen den von Kritikern befürchteten Trend zur Frühverrentung zu finden. Dies werde aber im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gelingen.
Frühverrentung älterer Beschäftigter ist nach den Worten der Ministerin für Arbeitgeber wegen der damit verbundenen Abfindungen bisher schon sehr teuer. Für Betroffene rechne sich vorzeitiges Ausscheiden nur, wenn dies die Firma finanziell schmackhaft mache. Eine solche Frühverrentung sei politisch aber nicht gewollt. Sie denke deshalb „intensiv darüber nach, wie man das noch unattraktiver machen kann“. Dabei setze sie auf die Mitwirkung der Arbeitgeber.
Trotz der Rückendeckung der Kanzlerin kam vom Wirtschaftsflügel der Union erneut massive Kritik. „Die vom Bundeskabinett beschlossenen Regelungen zur Rente mit 63 müssen umgehend geändert werden. So sind sie im Bundestag nicht zustimmungsfähig“, sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Fraktion, Christian Freiherr von Stetten (CDU), der Nachrichtenagentur dpa. Kritik kam auch von Linken und Grünen und vom Sozialverband VdK.
Auch Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte Korrekturen, da der Gesetzentwurf „eine deutliche Schieflage zulasten der jüngeren Generation“ aufweise. Diese müsse kräftig draufzahlen, profitieren werde dagegen „fast nur, wer heute schon zu den Älteren gehört“. Das Rentenpaket schaffe eine teure Mehrbelastung für die Beitragszahler.