Berlin Niemand ahnte, dass AKK aufgibt

Berlin · Kramp-Karrenbauer verzichtet auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur. Ihre Erklärungen für den Rückzug klingen wie ein Vorwurf gegen ihre einstige Mentorin Angela Merkel.

Partei ohne Führung: Nachdem AKK ihren Rückzug angekündigt hat, ist offen, wer in der CDU künftig das Sagen hat.

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Eine Kolonne der Sprach- und Fassungslosen verließ am Montagmittag das Konrad-Adenauer-Haus. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte keinen Ton zum Paukenschlag sagen, der auch ihn am Morgen ereilt hatte. Die sonst so auskunftsfreudige CDU-Vize Julia Klöckner wehrte jede Frage fast panisch ab, immerzu rief  sie: „Es gibt gleich eine Pressekonferenz!“ Und auch Jens Spahn, möglicher AKK-Nachfolger, schlenderte ohne Kommentar aus der Parteizentrale. Nur ein Polit-Rentner drehte sein Inneres nach außen: „Mir ist schlecht“, platzte es aus dem früheren EU-Parlamentarier Elmar Brok heraus.

AKK: „Entscheidung seit geraumer Zeit gewachsen“

Die Union unter Schock. Zwar war Annegret Kramp-Karrenbauer nach dem Thüringen-Eklat und ihrem zum Teil missglückten Krisenmanagement wieder einmal massiv unter Druck geraten. Und am Sonntag hieß es aus ihrem Umfeld: „Es ist sehr viel Bewegung drin.“ Doch dass AKK zum jetzigen Zeitpunkt k.o. gehen würde, ahnte wohl niemand. Abends bat die CDU-Vorsitzende ihre Stellvertreter zum Essen. Bei dem Treffen, so Insider, habe sich ihr Eindruck bestätigt, nicht mehr über ausreichend Rückhalt für eine Kanzlerkandidatur zu verfügen.

Vermutlich war das nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Denn vor der Presse erklärte die Saarländerin am frühen Nachmittag, die Entscheidung, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten und damit auch auf den Parteivorsitz, sei schon „seit geraumer Zeit“ in ihr gewachsen.

Morgens informierte sie zunächst die Kanzlerin, bevor sie das Parteipräsidium in Kenntnis setzte. In Teilen der CDU, so AKK vor den Funktionären, gebe es ein ungeklärtes Verhältnis zur AfD und zur Linken. Sie sei strikt gegen eine Annährung oder Zusammenarbeit – so sehe es auch die Beschlusslage der CDU vor. Basta.

Doch nicht jeder in der Un­ion sei gewillt, sich daran zu halten. Die Thüringer CDU jedenfalls ließ ein ums andere Mal AKK eiskalt abblitzen, zuletzt mit ihrer Forderung nach Neuwahlen. Mike Mohring, noch Landes- und Fraktionschef in Erfurt, soll im Präsidium geschwiegen haben.

Dann erklärte AKK dem Vernehmen nach, es sei offensichtlich, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehörten. Sie strebe keine Kandidatur mehr an, wolle aber den Prozess zur Klärung der K-Frage noch bis zum Sommer organisieren, was sie nun frei von eigenen Ambitionen machen könne. Anschließend werde sie auch auf den Vorsitz verzichten – nach jetzigem Stand soll im Dezember auf dem Parteitag in Stuttgart für neue, personelle Klarheit gesorgt werden. Dass AKK so lange durchhalten wird, ist aber unwahrscheinlich. Ihr Amt als Verteidigungsministerin will sie behalten. Darum habe die Kanzlerin sie gebeten, hieß es.

Nach ihrer Erklärung gab es „dankbaren  Applaus“ für AKK, wie es hieß.  Vielleicht war es auch erleichterter Beifall. Anschließend entbrannte aber wohl eine hitzige Debatte über die Folgen. Ein Satz von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble drang nach außen, der zeigt, in welcher dramatischen Lage die Union sich nach Thüringen und der AKK-Entscheidung befindet: „Wir zerlegen uns gerade. Der nächste wird es nicht, wenn wir so weitermachen“, soll Schäuble gesagt haben.

Fraktionschef Ralph Brinkhaus wiederum empörte sich offenbar über die Wertunion, die permanent nur gegen die eigene Partei schieße. „Die Leute gehören nicht zu uns.“ Und der Chef der Senioren-Union, Otto Wulff, erklärte im Vorstand, es könne nicht sein, „dass Thüringen die CDU ins Wanken bringt“. Doch genau so ist es jetzt gekommen.

Merkel könnte ihr Amt früher als geplant verlieren

Auch die Kanzlerin mischte sich ein: Man dürfe sich bei der Kanzlerkandidatur nicht unter Druck setzen lassen, meinte sie dem Vernehmen nach. Die Lage ist auch für Merkel heikel – denn je nach Dynamik könnte sie dazu gedrängt werden, ihr Amt früher als geplant aufzugeben. Sie bedaure die Entscheidung Kramp-Karrenbauers, betonte die Kanzlerin am Rande eines Treffens mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán schließlich öffentlich. „Annegret“ habe den Prozess für ein neues Grundsatzprogramm der CDU angestoßen und das Verhältnis zur CSU in Ordnung gebracht, lobte Merkel.

Ihren Kardinalfehler beschrieb AKK hingegen selbst: Durch die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz „haben wir eine in der CDU geübte Praxis aufgegeben“. Damit sei „eine ungeklärte Führungsfrage“ einhergegangen. Es klang wie ein Vorwurf gegen Merkel.