NSU-Prozess: Gericht öffnet eine Hintertür

Seit fast einer Woche tobt der Streit darüber, dass es keine Plätze für türkische Medien gibt.

München. Für das „Jahrhundertverfahren“ gegen die rechtsextremen NSU-Terroristen wünscht sich ein Gericht einen reibungslosen Start. Doch drei Wochen vor Beginn des Prozesses steht das Oberlandesgericht München im Kreuzfeuer. Der Grund: Obwohl acht der zehn Opfer türkischer Abstammung waren, bekommt kein türkisches Medium einen der 50 reservierten Journalisten-Plätze im Gericht.

Nachdem einzelne Medien aus Solidarität einen Verzicht auf ihre Plätze angeboten haben, versucht OLG-Präsident Karl Huber nun eine Hintertüre zu öffnen: Bleiben reservierte Plätze frei, können türkische Kollegen nachrücken. Laut Verfügung des Senats kommen dann aber die Journalisten dran, die als erste anstehen. Türkische Journalisten kämen also nur in den Saal, wenn vor ihnen wartende Kollegen auch verzichten oder sie selbst die Ersten in der Schlange sind.

Der Schwarze Peter geht also an die Medien — sie sollen das Problem unter sich lösen. Für die türkischen Kollegen bleibt es ein Glücksspiel. Sie haben daneben nur noch die Möglichkeit, sich für einen der ebenfalls 50 Plätze für Besucher anzustellen.

Seit fast einer Woche tobt die Debatte. Doch wie laut in Deutschland und europaweit auch debattiert wird, der OLG-Senat bleibt hart. Er will die Regelungen nicht mehr ändern, vor allem aus Sorge vor einer späteren Aufhebung des Urteils wegen Verfahrensfehlern. Umso fieberhafter wird außerhalb diskutiert — obwohl klar ist, dass eine Entscheidung wegen der Unabhängigkeit der Justiz allein beim Gericht liegt.

Die Justizminister Hessens und Niedersachsens, Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) machten Vorschläge. Hahn riet: „Am sinnvollsten ist es, man fängt noch einmal neu an.“ Niewisch-Lennartz plädierte für eine Übertragung in einen anderen Saal.

Siegfried Kauder (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses, meint, eine Übertragung hätte etwas von „Public Viewing“ und verletze die Menschenwürde der Angeklagten. Das sieht Werner Leitner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht, anders: „Das geltende Recht lässt eine solche Übertragung zu, wenn im zweiten Saal die gleichen Bedingungen erfüllt sind wie im Sitzungssaal.“