Ökonom Joachim Scheide: „Spielräume sind geringer als viele glauben“

Ökonom mahnt Union und SPD zu Sparsamkeit.

Berlin. Gute Zeiten für Koalitionsverhandlungen: Die Steuereinnahmen liegen auf Rekordniveau. Der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Joachim Scheide (Foto), warnt Union und SPD jedoch vor üppigen Geldausgaben.

Herr Scheide, Sie sehen keine zusätzlichen Ausgabenspielräume?

Joachim Scheide: Die Spielräume sind auf jeden Fall geringer als viele glauben. Deutschland hat sich aus gutem Grund eine Schuldenbremse verordnet. Und die bedeutet auch, dass man in guten Zeiten Überschüsse erwirtschaften muss, um sich in schlechten Zeiten Defizite leisten zu können, also mehr auszugeben als einzunehmen. Ansonsten hätte man im Schnitt keinen ausgeglichenen Haushalt. Deshalb ist da Vorsicht geboten.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert, die sich abzeichnenden Haushaltsüberschüsse in Infrastruktur und Bildung zu investieren, anstatt damit Schulden zu begleichen.

Scheide: Zweifellos haben wir ein großes Problem beim öffentlichen Kapitalstock. Er sinkt seit Jahren. Das ist eigentlich ein Skandal. Nur muss das Ganze eben auch finanziert werden. Wenn wir nicht mehr Schulden machen wollen, wie es die Schuldenbremse vorgibt, dann bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder Steuererhöhungen oder Einsparungen an anderer Stelle. Da muss sich eine neue Regierung entscheiden.

Was würden Sie tun?

Scheide: Steuererhöhungen würden das Wachstum mindern und mittelfristig die Steuereinnahmen beeinträchtigen. Also muss man schon in den sauren Apfel beißen und bei anderen Ausgaben sparen. Es gibt Subventionen des Staates im Umfang von etwa 120 Milliarden Euro, die man teilweise abbauen könnte.