PISA: Bund startet neues Programm zur Leseförderung
Berlin (dpa) - Als Konsequenz aus der PISA-Studie startet der Bund ein weiteres Programm zur Leseförderung. Mit der Aktion „Lesestart“ sollen Kinder aus sozialen Brennpunkten bereits vor der Einschulung an Bücher herangeführt werden und zum Selberlesen ermuntert werden.
Das sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Montag in Berlin. Der Bund unterstützt das Programm mit 26 Millionen Euro.
Lesen und Textverständnis ist der Schwerpunkt des neuen weltweiten PISA-Schulleistungstests, der an diesem Dienstag in Berlin vorgestellt wird. Während sich die Schüler aus Deutschland nach Vorabmeldungen vor allem in Mathematik leicht verbessern konnten, stagnieren seit 2006 die Leseleistungen. Die Punktzuwächse in den vergangenen drei Jahren befänden sich „im statistisch kaum relevanten Bereich“, berichtet die „Financial Times Deutschland“.
In den Bundesländern gibt es 17 verschiedene Programme zur Leseförderung, die nach der ersten PISA-Studie 2000 etabliert wurden. Lesen und Textverständnis gilt als die wichtigste Schlüsselkompetenz für das Lernen. Die Schüler aus Deutschland hatten beim ersten PISA- Test im Lesen wie auch in den anderen Disziplinen unter dem Leistungsdurchschnitt der OECD-Industrienationen gelegen.
Das von Schavan vorgestellte neue Bundesprogramm ist mehrstufig angelegt. Für Einjährige gibt es bei der ärztlichen Vorsorgeuntersuchung ein Lesestart-Set mit Vorlesetipps für Eltern in mehreren Sprachen. Später erhalten Kinder aus sozialen Brennpunkten ein weiteres Lesestart-Set in den örtlichen Bibliotheken. Ein drittes Set wird bei der Einschulung an Kinder und Eltern überreicht. In Großbritannien sei das Modell bereits erfolgreich eingesetzt worden. Das Programm wird mit der Stiftung Lesen aus Mainz organisiert.
Die Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marianne Demmer, sagte, Appelle an Eltern und Lesepaten reichten nicht aus. „Lesen und Textverständnis muss in den Schulen genauso systematisch geübt und betrieben werden wie Mathematik und Naturwissenschaften.“ Dazu müssten die Lehrer in allen Fächern und auf allen Schulstufen „das entsprechende Handwerkszeug lernen, das heißt Fortbildung und geeignete Unterrichtsmaterialien erhalten“.
Die deutsche PISA-Forscherin Cordula Artelt sagte in einem Interview mit der GEW-Mitgliederzeitschrift „Erziehung und Wissenschaft“: „Wer mit schwacher Lesekompetenz die Schule verlässt, gerät in Gefahr, abgeschottet von sozialer, politischer und kultureller Teilhabe zu leben. Das kann zu einem Teufelskreis von Bildungs- und sozialer Armut führen.“ Es gebe zwar gute Konzepte der Förderung, aber auch Hürden bei der Umsetzung, vor allem bei länderübergreifenden Maßnahmen.
Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte „BILD.de“: „Der relativ hohe Migranten-Anteil an unseren Schulen ist mitverantwortlich für das schlechte Ergebnis der Deutschen bei der PISA-Studie.“ Grund dafür sei eine gescheiterte Integrationspolitik. Mehr als zwanzig Jahre lang sei versäumt worden, Sprachkenntnisse bei Einwanderern systematisch zu verbessern.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), forderte die Länder zu einer nationalen Bildungsoffensive für Migranten auf. Die Förderung junger Migranten müsse deutlich verstärkt werden, sagte Böhmer dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag). Schulen mit hohem Migrantenanteil benötigten mehr Lehrer, mehr Schulsozialarbeiter sowie mehr Zeit - also brauche es mehr Ganztagsschulen.
PISA ist der weltweit größte Schulleistungstest. Er wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris organisiert. Getestet werden 15-jährige Schüler. An der jüngsten Untersuchung 2009 nahmen 470 000 Heranwachsende aus 65 Nationen teil. In Deutschland machten diesmal 4970 Schüler aus 223 Schulen mit.