Porträt des Tages Plagiatsvorwürfe - Heikle Tage für die Karriere der Dr. Giffey

Die Freie Universität Berlin prüft die Dissertation von Familienministerin Franziska Giffey auf Plagiate. Die Parallelen zu Karl-Theodor zu Guttenberg sind unübersehbar.

Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Franziska Giffey hat auf ihren akademischen Titel allergrößten Wert gelegt, seit sie ihn 2010 erwarb. So unterschreibt die amtierende Familienministerin Briefe stets mit „Dr. Franziska Giffey“, was zwar nicht verboten, aber unüblich ist. Und auch auf ihrer Homepage fehlt der „Dr.“ nie. Nun hängt nicht nur der Titel, sondern die ganze Karriere der SPD-Politikerin am seidenen Faden der Überprüfung ihrer Dissertation auf Plagiate.

Um „Europas Weg zum Bürger“ ging es in dem Werk, mit dem die Politologin an der Freien Universität Berlin promovierte. Dort wird die Arbeit nun erneut unter die Lupe genommen. Giffey selbst bat die Universität am Donnerstag da­rum. Möglicherweise, weil sie von einer bevorstehenden Veröffentlichung des „Spiegel“ erfahren hatte, wonach die Plattform „Vroni Plag“ den Verdacht auf massive Verstöße hegt. Mindestens 49 von 205 Seiten sollen unsaubere Stellen enthalten. Im Ministerium ist man äußerst wortkarg. Die Ministerin habe erklärt, dass sie ihre Dissertation „nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“ habe.

Die Parallelen zu Karl-Theodor zu Guttenberg sind unübersehbar. Auch er war ein Shooting-Star auf der politischen Bühne. Bis der damals 39jährige CSU-Politiker, inzwischen Verteidigungsminister, 2011 wegen erwiesener Täuschungsversuche in seiner Doktorarbeit alle Ämter abgeben musste. Annette Schavan erging es 2013 ähnlich. Die Uni attestierte auch bei ihrer Dissertation „eine vorsätzliche Täuschung durch Plagiat“. Schavan war nicht mehr zu halten, schon gar nicht als Bildungsministerin. Die bisher bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Giffey klingen nicht nach einem solchen glimpflichen Ausgang. So soll sie aus Sekundärquellen abgeschrieben, stattdessen aber Primärquellen angegeben haben. An einer Stelle soll sie den Philosophen Jürgen Habermas als Quelle genannt, aber Formulierungen verwendet haben, die gar nicht bei Habermas vorkamen – sondern bei Wikipedia. Auch habe sie ganze Passagen kopiert, ohne die Autoren zu nennen. Freilich betonen die Aktivisten von „Vroni Plag“, dass ihre Überprüfung noch nicht abgeschlossen sei. Entscheidend ist ohnehin das Urteil der Universität.

Der bisher so makellosen Karriere der Brandenburgerin droht nun ein Absturz, mindestens ein Riss. Mit nur 37 Jahren wurde sie Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, mit 40 dann Ministerin. Und sie war als Spitzenkandidatin der Berliner SPD im Jahr 2021 im Gespräch. Giffey gilt vielen Genossen als letzte Hoffnung. Denn die Partei liegt unter Amtsinhaber Michael Müller in den Umfragen nur noch auf Platz Vier. wk

(wk)