Regierungsberater sehen Probleme bei Energiewende
Berlin (dpa) - Die Regierungskommission zur Überwachung der Energiewende hat der Bundesregierung ein mäßiges Zwischenzeugnis ausgestellt.
„Ohne weitergehende zusätzliche Maßnahmen werden die Effizienzziele der Energiewende nicht erreicht“, urteilt das von der Regierung vor einem Jahr beauftragte vierköpfige Gremium in seinem ersten Zwischenbericht. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Die Experten fordern in ihrem 156-seitigen Bericht mehr Einsatz, um das Energiesparen in Gebäuden zu verbessern, wo 40 Prozent der Energie verbraucht werden. Auch im Verkehr müsse mehr passieren. Die Regierung will an diesem Mittwoch ihren ersten Monitoringbericht zur Energiewende vorstellen. Für den kritisierten Bereich Energiesparen ist innerhalb der Regierung Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) federführend zuständig - die Bereiche Verkehr und Gebäudesanierung fallen aber in die Zuständigkeit von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).
Rösler steht bei Opposition und Umweltverbänden in der Kritik, weil er EU-Vorschläge für stärkere Energieeinsparungen blockiert hatte, etwa verpflichtende Vorgaben für eine Senkung des Verbrauchs. Rösler selbst betont, oberste Priorität müsse Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit bei der Energiewende haben - daher drängt er auf eine rasche Kappung der Fördergelder für erneuerbare Energien.
Um den Primärenergieverbrauch bis 2020 im Vergleich zu 2008 wie geplant um 20 Prozent zu senken, muss der Berechnung nach die Energieproduktivität in den nächsten Jahren um 2,6 Prozent pro Jahr gesteigert werden. Derzeit ist ein Minus von 6 Prozent erreicht, es fehlen also noch 14 Prozent. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es: „Bei der Energiewende haben wir erhebliche Fortschritte gemacht.“ Der Energieverbrauch sei rückläufig, der Ökoenergie-Ausbau komme voran, die Treibhausgasemissionen sinken, die Energieeffizienz habe sich verbessert und die Versorgungssicherheit sei gewährleistet.
Die Forscher sehen die derzeit kostengünstigste Option beim Ausbau erneuerbarer Energien bei Windkraft an Land - aber dies müsse besser mit dem Netzausbau koordiniert werden. „Die einzelnen Bundesländer haben bezüglich der Windenergie an Land teilweise sehr ambitionierte Ausbauziele, die in der Summe deutlich über die bisherigen Zielsetzungen der Bundesregierung hinausgehen“, betonen sie. Der Ausbau erneuerbarer Energien verlaufe insgesamt positiv - der Anteil am Stromverbrauch lag 2011 mit 20 Prozent über Plan. Nach neuen Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wird der Anteil im laufenden Jahr auf 23 Prozent klettern.
„Dennoch wird das Erreichen des Mindestanteils von 35 Prozent am Bruttostromverbrauch bis 2020 kein Selbstläufer“, betont das Gremium um den Vorsitzenden Andreas Löschel vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Am Mittwoch will das Bundeskabinett neue Regeln für einen beschleunigten Netzausbau und einen Zuschuss von bis zu 5000 Euro für Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung beschließen. Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) werden zudem die Ergebnisse des Monitoringberichts Energiewende vorstellen.
Mehr Mäßigung mahnen die Regierungsberater in der aufgeregten Debatte um die Strompreisentwicklung an. Der Anstieg sei bis einschließlich 2011 nicht so dramatisch verlaufen wie es in der Öffentlichkeit oft dargestellt werde. „Der Anteil der Ausgaben für Elektrizität am nominalen Bruttoinlandsprodukt liegt mit 2,5 Prozent im Jahr 2011 auf dem Niveau von 1991“, betonen die Forscher.
Um Klimaschutzziele und Einnahmequellen zur Finanzierung der Energiewende nicht zu gefährden, mahnen sie eine Reform des EU-Emissionshandelssystem an, das durch einen starken Preisverfall für Emissionsrechte gekennzeichnet sei. Damit ergreifen die Experten Partei für Altmaier, der den Vorstoß der EU-Kommission unterstützt, zur Erholung der Preise 900 Millionen Verschmutzungsrechte vorerst dem Markt zu entziehen. Rösler blockiert dies - ohne Reform könnten Gelder für Maßnahmen wie energetische Gebäudesanierungen fehlen.
Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die von Rösler beauftragten Wissenschaftler stellen ihm bei der Stromeinsparung ein verheerendes Zeugnis aus“. Sie verstehe nicht, warum der beste Weg, um Kosten zu senken, so sträflich vernachlässigt werde. Die Linke-Politikerin Eva Bulling-Schröter sagte: „Wenn Rösler bislang irgendwo erfolgreich war, dann beim Blockieren der Energiewende“.