Rüge aus Karlsruhe heizt Regierungsstreit über Homo-Ehe an

Berlin (dpa) - Nach einer neuen Rüge des Bundesverfassungsgerichts verschärft sich in der schwarz-gelben Koalition der Streit über die steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare mit der Ehe.

Trotz des Urteils der Karlsruher Richter zugunsten schwuler und lesbischer Lebenspartner bei der Grunderwerbsteuer lehnt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf Homo-Ehen weiter strikt ab. Wirtschaftsminister Philipp Rösler sieht dagegen angesichts der jüngsten Karlsruher Vorgaben Handlungsbedarf. Er pocht wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP) sowie Familienministerin Kristina Schröder (CDU) auf neue Gesetze. CSU-Chef Horst Seehofer warnt dagegen vor einer Gleichstellung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor zum zweiten Mal in nur einer Woche die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften vorangetrieben und so den Druck auf die Politik erhöht. Die Richter erklärten die Benachteiligung von Lebenspartnerschaften bei der Grunderwerbssteuer bis zum Jahr 2010 für verfassungswidrig und fordern einen nachträglichen Ausgleich für Altfälle seit 2001. (Az. 1 BvL 16/11). Das Finanzministerium will dies fristgemäß umsetzen.

Der Koalitionsstreit blockiert auch eine Stellungnahme der Regierung zu Forderungen der Bundesländer, das Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften in das Jahressteuergesetz 2013 aufzunehmen. Die beteiligten Ressorts haben sich bisher nicht darauf verständigt, wie auf eine entsprechende Bitte des Bundesrates reagiert wird. Zuvor hatten 13 CDU-Abgeordneten gefordert, auch homosexuelle Lebenspartnerschaften sollten vom Splitting profitieren. Dies würde den Staat laut Finanzministerium 30 Millionen Euro im Jahr kosten.

Vize-Kanzler Rösler sieht nach Aussage seines Sprechers nach den jüngsten Karlsruher Urteilen „sehr eindeutige Indizien dafür, dass auch im Bereich des Steuerrechts eine Gleichbehandlung geboten ist“. Deshalb sei aus Sicht des Ministers die „Zeit auch reif, das Thema jetzt politisch aufzugreifen und nicht bis 2013 zu warten“. Es gebe noch Erörterungsbedarf mit Schäuble. Auch andere FDP-Minister hätten Bedenken geäußert. Grund seien neue Erkenntnisse durch die Urteile.

Rösler und Leutheusser-Schnarrenberger hatten bereits im März Schäuble zum Handeln aufgefordert und Rechtssicherheit angemahnt. Der Finanzminister sieht jedoch trotz wachsenden Drucks aus der Koalition, den Bundesländer sowie zahlreicher Gerichtsurteile weiter keinen Grund zum Handeln. Immer wieder verweist er darauf, zunächst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage abzuwarten. „Es gibt immer unterschiedliche Bewertungen“, sagte eine Sprecherin Schäubles zu den Differenzen innerhalb des Kabinetts.

Auch Seehofer will das Urteil abwarten. In der Tageszeitung „Die Welt“ (Donnerstag) betonte er: „Wir haben großen Respekt vor gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, in denen die Partner auch füreinander einstehen. Aber Ehe und Familie sollten privilegiert bleiben. Daran sollten wir nicht rütteln.“

Die Urlaub weilende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich zurück. Vize-Regierungssprecher Georg Streiter sagte nur, Merkel stehe zur Absprache im Koalitionsvertrag, wonach gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abgebaut werden sollen. Mit Blick auf die Ressortabstimmungen sagte er, der Prozess biete die Möglichkeit, die „zweifelsohne unterschiedlichen Meinungen auszutauschen und möglichst in Einklang zu bringen“.

Die rheinland-pfälzische CDU-Landeschefin Julia Klöckner sprach sich für eine grundsätzliche Neuregelung und die Einführung eines „Familiensplittings“ aus. „Die Exklusivität des Ehegattensplittings hat sich in der ursprünglich angedachten Form überholt“, sagte sie der „Welt“. Der ursprüngliche Gedanke, über die Ehe die Kinder zu fördern, war und ist richtig. Aber die Lebenswirklichkeit ist bunter geworden.“

Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sprach nach dem Karlsruher Urteil von einem erneuten „Schlag auf den Hinterkopf für die schwarz-gelbe Koalition“. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte in der „Rheinischen Post“ einen fraktionsübergreifenden Antrag zur steuerlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partner mit Eheleuten an.