Schätzer: 29,4 Mrd. Steuermehreinnahmen bis 2016
Berlin (dpa) - Bund, Länder und Kommunen können sich bis 2016 auf 29,4 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen einstellen als bisher geplant. Das teilte das Bundesfinanzministerium am Donnerstag in Berlin nach dreitägigen Beratungen der Steuerschätzer mit.
Das zusätzliche Plus infolge des anhaltenden Wirtschaftswachstums fällt damit aber weniger deutlich aus als in früheren Schätzungen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht trotz der möglichen Mehreinnahmen keine zusätzlichen haushaltspolitischen Spielräume. „Die erfreuliche Entwicklung der öffentlichen Einnahmen unterstützt die schnelle Rückführung der strukturellen Neuverschuldung des Bundes“, erklärte er. „Das bedeutet aber auch, auf strukturelle Mehrausgaben zu verzichten.“
Die aktuellen Steigerungen seien zudem nicht so spektakulär wie in früheren Prognosen. Die schwarz-gelben Pläne zur Korrektur der „kalten Progression“ seien aber finanzierbar.
Auch aus Sicht von FDP-Chef Phillip Rösler zeigt die Prognose, dass die Steuerpläne dringend nötig seien. Er forderte die Länder auf, sich nicht zu verweigern. Die erwarteten Mehreinnahmen bestätigten zudem, dass schon 2014 ein ausgeglichener Etat ohne neue Schulden möglich sei. Bisher strebt Schäuble dies für bis 2016 an.
FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke betonte, es sei gut für die Haushalte von Bund und Ländern, wenn die Einnahmen steigen. „Aber es ist nicht das Geld des Staates, sondern das der Bürger.“ SPD und Grüne sollten ihre Blockade gegen die Steuerpläne beenden.
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU) betonte, die Koalition werde die Mehreinnahmen in diesem Jahr komplett zur Absenkung der Neuverschuldung verwenden. Auch Länder und Kommunen sollten mit den Mehreinnahmen ihre Schulden senken.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß warf der Regierung vor, sich reich zu rechnen. Die Schätzer rechneten auf Basis der regierungsamtlichen Wirtschaftsprognose. Diese sei „viel zu optimistisch, weil sie die bestehenden großen ökonomischen Risiken außen vor lässt“.
Für dieses Jahr rechnet der Schätzerkreis mit einem Einnahmeplus von 4,6 Milliarden Euro im Vergleich zur November-Prognose. Für 2013 wird mit Mehreinnahmen für den Gesamtstaat von 5,0 Milliarden Euro gerechnet, für 2014 mit 6,4 Milliarden Euro. 2015 dürfte das Steuerplus gegenüber der November-Schätzung bei 6,2 Milliarden Euro liegen und im Folgejahr bei 7,2 Milliarden Euro.
Dank der anhaltend guten Konjunktur, der stabilen Arbeitsmarktlage sowie spürbaren Lohnerhöhungen sprudeln auch die Einnahmen der Sozialkassen weiter kräftig. Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung werden im laufenden Jahr nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft voraussichtlich 15 Milliarden Euro Überschuss erzielen. Das wäre eine Milliarde mehr als 2011.
An diesem Freitag entscheidet der Bundesrat über die Steuerpläne der Koalition. Es wird erwartet, dass es in der Länderkammer keine Mehrheit für das Gesetz geben wird. Sollte der Bundesrat auch kein Vermittlungsverfahren beschließen, könnte dieses von Bundestag oder Regierung beantragt werden, um doch noch eine Einigung zu erreichen.
Union und FDP wollen die Bürger um bis zu 6,1 Milliarden Euro pro Jahr entlasten. Dazu soll in zwei Stufen der Grundfreibetrag steigen, was ab 2013 verfassungsrechtlich ohnehin geboten sein dürfte. Hinzu kommen Änderungen beim Tarifverlauf. Die Koalition will so das Problem der „kalten Progression“ eindämmen. Diese „heimlichen Steuererhöhungen“ sind Folge von Lohnerhöhungen, die nur den Preisanstieg ausgleichen. Der Arbeitnehmer hat dann nicht mehr in der Tasche, nur der Fiskus profitiert von mehr Steuereinnahmen.
Von SPD und Grünen geführte Länder lehnen die Pläne ab und knüpfen eine Zustimmung an Bedingungen. Einnahmeverluste müssten an anderer Stelle ausgeglichen werden - etwa durch höhere Steuern für Top-Verdiener.
Auch der Deutsche Städtetag sieht „keinen Spielraum für Steuersenkungen auf Kosten der Kommunen“. Der Städtetags-Präsident und Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) appellierte an die Länder, keinen Steuersenkungen zuzustimmen, die die Kommunen unnötig belasten.