Schluss mit „Wünsch Dir was“
Die Einigung wird teuer. Jede Arbeitsgruppe kostet derzeit fünf Milliarden Euro. Jetzt wird die Notbremse gezogen.
Berlin. „Sehr tief, sehr sachorientiert, wirklich klasse“, so beschrieb ein CDU-Teilnehmer am Dienstag das nunmehr dritte Treffen der „großen Koalitionsrunde“. Diesmal war die CSU Gastgeber. Mangels einer eigenen Parteizentrale in Berlin wählte man die bayrische Landesvertretung als Tagungsort. Horst Seehofer positionierte die SPD-Delegation unter einer Büste von Franz-Josef Strauß. „Er hat einfach Sinn für Humor“, meinte deren Chef Sigmar Gabriel dazu herzig. Doch so lustig blieb es nicht. Gleich der Beginn der Sitzung ließ bei einigen der versammelten Unterhändler die Gesichtszüge einfrieren.
Den Führungsleuten war nämlich nicht nur aufgefallen, dass die Verhandlungen in den zwölf Arbeitsgruppen und vier Unterarbeitsgruppen deutlich zügiger vorankommen, sie hatten auch den Grund dafür erfasst: Einigungen, die gehörig Geld verschlingen. „Im Moment kostet jede Arbeitsgruppe fünf Milliarden Euro. Mindestens“, heißt es aus der Finanz-Arbeitsgruppe. Wenn es so weitergehe, werde man beim Wahlvolk nur Enttäuschungen produzieren, weil es dafür kein Geld gebe. Schon in der Vorbesprechung bei der Union zogen Kanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtschef Ronald Pofalla die Notbremse. Alles komme am Ende auf den Prüfstand der Finanzen und dann würden Prioritäten gesetzt. Seehofer meinte gar, es müsse Schluss sein mit den „Wünsch-Dir-Was-Papieren“. Alle ausgabenträchtigen Ideen landen nun auf einer so genannten „F“-Liste. F wie Finanzen — oder Forget it („Vergiss es“)?
Es gibt neben viel Dissens aber immerhin auch Einigkeit beim Thema Mietpreisbremse in der Arbeitsgruppe Bauen und Wohnen. In gefragten Gegenden sollen bei Neuvermietungen die Mieten nur maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen dürfen und Makler sollen künftig vom Vermieter und nicht vom Wohnungssuchenden bezahlt werden.
Unter dem Strich blieb aber das, was die drei Generalsekretäre als wirkliches Ergebnis der dritten Runde mitteilen konnten, erneut recht allgemein. Man verständigte sich auf eine industriefreundliche Wirtschaftspolitik und die gemeinsame Bekräftigung, dass Deutschland außenpolitisch „Verantwortung in der Welt“ trägt. Bemängelt wurde, dass die vorgelegten Papiere viel zu lang für einen Koalitionsvertrag waren — das Wirtschaftspapier zählte 20 Seiten. Am Donnerstag will Angela Merkel einzeln mit den Unions-Verhandlungsführern aller Arbeitsgruppen über den Gang der Dinge reden. Intern heißen die Treffen schon jetzt „Beichtstuhlgespräche“.