Schuldenkrise bringt Deutschland neue Zuwanderer

Wiesbaden (dpa) - In der Heimat sehen sie keine Zukunft mehr. Zahllose Südeuropäer zieht es weg aus den Krisenländern der Europäischen Union. Wird Deutschland das gelobte Land?

Tausende Griechen, Spanier, Italiener und Portugiesen kehrten in der Schuldenkrise ihren Ländern den Rücken und zogen nach Deutschland. Der seit Mai uneingeschränkte Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt hat zugleich Tausende Polen, Ungarn und Slowaken angezogen. Vor allem wegen des Zustroms aus der EU ist die Zuwanderung nach Deutschland im ersten Halbjahr 2011 sprunghaft gestiegen - um insgesamt 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mitteilte.

Rund 435 000 Menschen wanderten insgesamt im ersten Halbjahr nach Deutschland ein. Das waren 68 000 mehr als im Vergleichszeitraum 2010. Etwa 62 Prozent von ihnen - Deutsche und Ausländer - hatten vorher in einem anderen EU-Staat gelebt. Unter den Zuwanderern waren 381 000 Ausländer - 21 Prozent mehr. Die Zahl der Deutschen, die ihren Wohnsitz vom Ausland in die Bundesrepublik verlegten, war dagegen nahezu konstant.

Das deutlichste Plus gab es bei den Griechen: Rund 8900 Griechen verlegten ihren Wohnsitz nach Deutschland, 84,5 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2010. Außerdem kamen etwa 7300 Spanier (49 Prozent mehr), 13 900 Italiener (plus 22,5 Prozent) und 3800 Portugiesen (plus 21 Prozent). Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies in München darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit in Spanien über 20 Prozent liege, in Griechenland seien rund 18 Prozent arbeitslos, darunter viele junge Menschen.

Überdurchschnittlich hoch war mit 30 Prozent auch das Plus an Zuwanderern aus den Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind und seit Mai freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Insgesamt kamen etwa 115 000 Menschen aus diesen Ländern. Aber auch bei Rumänen und Bulgaren, die seit 2007 zur EU gehören und bislang nur eingeschränkt Zugang zum Arbeitsmarkt haben, gab es einen hohen Zuwachs von 34 Prozent auf 71 500 Menschen.

Zugleich verließen weniger Menschen Deutschland als im ersten Halbjahr 2010. Rund 300 000 Deutsche und Ausländer kehrten der Bundesrepublik den Rücken - das waren 6000 weniger. Damit zogen insgesamt 135 000 Menschen mehr zu als weggingen. Das entspricht einem Plus von 122 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2010. Seit 2007 kommen jedes Jahr mehr Menschen nach Deutschland als von hier wegziehen - nur in den Jahren 2008 und 2009 war es umgekehrt.

Herrmann sprach sich angesichts der Entwicklung gegen weitere Zuzugserleichterungen für Nicht-EU-Bürger aus. „Es gibt innerhalb Europas ein enormes Zuwanderungspotenzial nach Deutschland, das wir nutzen müssen“, betonte der bayerische Innenminister. „Es handelt sich oft um gut ausgebildete, hoch qualifizierte Arbeitnehmer. Wegen ihrer europäischen Prägung lassen sie sich hervorragend in Deutschland integrieren. Integrationsprobleme wie oft bei Zuwanderern aus anderen Kulturkreisen stellen sich nicht.“