SPD will dezentrale Registrierungszentren statt „Transitzonen“
Berlin (dpa) - Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket und scharfer Abgrenzung vom Koalitionspartner hat SPD-Chef Sigmar Gabriel die Union vor dem Krisengipfel zur Asylpolitik unter Zugzwang gesetzt.
Nach einer Sitzung der Parteispitze schlug Gabriel am Samstag die Einrichtung dezentraler Registrierungs- und Einreisezentren für Flüchtlinge vor. Die von CDU und CSU bevorzugten „Transitzonen“ für Asylbewerber in Grenznähe lehnte der Vizekanzler ab. Große Skepsis aus verfassungsrechtlichen Gründen ließ Gabriel bei der von der Union gewünschten Begrenzung des Familiennachzugs erkennen.
Die Unionsspitze kam am Abend im Kanzleramt zu Beratungen zusammen, um ein Treffen mit Gabriel am Sonntagvormittag vorzubereiten. Dabei dürften CDU und CSU auch versuchen, den Streit zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer zu entschärfen. Der bayerische Ministerpräsident hält den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik für falsch und verlangt ultimativ eine rasche Begrenzung der Flüchtlingszahlen an der Grenze. An dem Treffen nahmen dem Vernehmen nach auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt sowie Flüchtlingskoordinator und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) teil.
Gabriel sagte, Transitzonen seien als „riesige Haftzonen weder organisatorisch durchführbar noch rechtlich darstellbar“. Das SPD-Konzept sei „ein wesentlich intelligenterer Alternativvorschlag“. Ziel sei ein besseres, kontrollierteres und geordneteres Verfahren der Einreise und der Registrierung von Asylbewerbern. Flüchtlinge, die sich dem Registrierungsverfahren verweigern, würden weniger Leistungen bekommen und erhebliche Nachteile im Asylverfahren erleiden. „Die Gewährung von Leistungen ist an diese Registrierung in Einreisezentren gebunden“, betonte Gabriel.
Vor dem Krisentreffen der Koalitionsspitzen am Sonntag mahnten Politiker der CDU konstruktive Lösungen an. CDU-Vize Armin Laschet sagte der Zeitung „Die Welt“: „In der Sache und für die Union wäre es gut, wenn dieser Streit beendet wird und man wirklich wieder an Problemlösungen arbeitet.“ Seine Amtskollegin Julia Klöckner sagte in der ARD: „Wir können es uns nicht leisten, keine Lösungen zu finden.“ CDU-Generalsekretär Peter Tauber erinnerte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ daran, CDU und CSU seien immer dann besonders erfolgreich, „wenn die Leute das Gefühl haben, dass wir gemeinsam an der Lösung von Problemen arbeiten“.
Gabriel betonte, dass er - damit inhaltlich nah bei Merkel - von Abschottung nichts halte: „Um Europa, um Deutschland herum gibt es keine Zugbrücke.“ Zu den Transitzonen-Plänen sagte der SPD-Chef: „Mir hat ehrlich gesagt noch keiner erklärt, welches Fußballstadion man dafür umrüsten will. Das sind unausgegorene Vorschläge.“ Indes könnten Einreisezentren in allen Regionen Deutschlands von Bund und Ländern in bereits existierenden Erstaufnahmeeinrichtungen und Wartezonen betrieben werden.
Differenzen sah Gabriel auch bei der von CDU und CSU vorgeschlagenen Aussetzung des Familiennachzugs: „Ich rate dazu, dass wir Vorschläge vorlegen, die wir ohne Konflikt mit dem deutschen Verfassungsgericht auch umsetzen können.“ Man solle sich anschauen, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt habe. „Es nützt nichts, jeden Tag neue Vorschläge zu machen, sondern es wäre gut, wenn wir mal umsetzen, was wir verabredet haben“ - Pufferbereiche für die mit dem Asylbewerber-Andrang überlasteten Kommunen, bereits verabredete Drehkreuze, von denen ebenfalls noch nichts zu sehen sei, sowie die 40 000 vom Bund geplanten Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen.
Zum Streit in der großen Koalition über die Asylpolitik und zu den Attacken Seehofers auf Merkel sagte Gabriel, es sei bei so schwierigen Fragen „nicht klug“, wenn Ultimaten gestellt und Drohungen ausgesprochen würden. „Man muss schon dafür Sorge tragen, dass eine Regierung vernünftig miteinander umgeht.“
Der Andrang von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze war auch am Wochenende sehr hoch. Auf der „Balkan-Route“ durch Kroatien, Slowenien und Österreich Richtung Deutschland waren weiter Tausende Flüchtlinge unterwegs.