SPD will Steuerkriminelle jagen
Braunschweig (dpa) - Die SPD will den entschlossenen Kampf gegen Steuerhinterziehung zu einem zentralen Thema im Bundestagswahlkampf machen. Banken soll nach dem Willen der Sozialdemokraten notfalls die Lizenz entzogen werden, wenn ihnen Hilfe beim Steuerbetrug ihrer Kunden nachgewiesen werden kann.
Diese Forderung gehört zu einem Fünf-Punkte-Plan, den der SPD-Vorstand am Montag gemeinsam mit der niedersächsischen Parteispitze in Braunschweig verabschiedete.
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück verwies darauf, dass geschätzte 150 Milliarden Euro Jahr für Jahr den öffentlichen Kassen durch Steuerbetrug verloren gehen. Dieses Geld stehe etwa für die Finanzierung von Bildungsaufgaben nicht zur Verfügung. „Wenn wir davon nur zehn Prozent heben würden, wären das immerhin 15 Milliarden Euro“, erklärte Steinbrück.
Die weit überwiegende Anzahl der Deutschen seien ehrliche Steuerzahler, betonte er. „Aber wenn die das Gefühl haben, dass insbesondere aus den besser ausgestatteten Etagen des gesellschaftlichen Gebäudes viele ihre Einkünfte am Fiskus vorbeibringen, dann ist ein Riss in der Gesellschaft“, fügte Steinbrück hinzu.
Finanzminister Wolfgang Schäuble warf der SPD Doppelzüngigkeit vor. Das Konzept sei ein gutes Beispiel für die Methode „Haltet den Dieb“, sagte der CDU-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag). „Die SPD ermöglicht doch mit ihrer unverantwortlichen Obstruktionspolitik im Bundesrat fortgesetzte Steuerhinterziehung in der Schweiz.“ Wenn die SPD das Steuerabkommen nicht blockiert hätte, könnten schon seit Jahresanfang deutsche Kapitalerträge in der Schweiz automatisch besteuert werden.
In ihrer „Braunschweiger Erklärung“ spricht sich die SPD weiter für den bundesweiten Aufbau einer Steuerfahndung aus. Zudem sollen die Verjährungsfristen für Steuerbetrug deutlich verlängert werden. Im Fall eines Wahlsiegs will die SPD weiter einen gleichmäßigeren Steuervollzug in den Bundesländern in Angriff nehmen. SPD-Chef Sigmar Gabriel hielt insbesondere Bayern vor, nicht energisch genug gegen Steuersünder vorzugehen. Es gebe dort einen gezielten Verzicht auf regelmäßige Prüfung von Großbetrieben.
Die SPD-Spitze warf der schwarz-gelben Koalition Versagen bei der Ahndung von Steuerdelikten vor. Union und FDP verfolgten eine Klientelpolitik mit ungerechten Privilegien und windelweichen Regelungen gegen Steuerbetrüger.
Die CDU nannte das SPD-Konzept verlogen. „Das ist ein starkes Stück aus der Populismusküche und an Verlogenheit wahrlich nicht zu überbieten“, sagte Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin. Wenn die SPD dem Steuerabkommen mit der Schweiz zugestimmt hätte, hätte sie bereits zu Jahresbeginn Steuergerechtigkeit bekommen können. Ähnlich äußerte sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle bezeichnete die SPD-Pläne als Ablenkungsmanöver im Wahlkampf. Steinbrück produziere nur „Pannen und Peinlichkeiten“.
Am Montagnachmittag fuhr Steinbrück weiter nach Gifhorn, um dort eine Familie zu besuchen. Damit wolle er ein neues Veranstaltungsformat ausprobieren: „Keine langen Vorträge von mir. Die Bürger haben sofort Gelegenheit, die Themen anzusprechen, die ihnen unter den Nägeln brennen“, beschrieb Steinbrück das Konzept. Er hoffe auf eine lebhafte Debatte - ohne Journalisten, damit sich niemand instrumentalisiert fühle. Die Bürger konnten sich für einen Hausbesuch des Kanzlerkandidaten bewerben und dafür Freunde, Berufskollegen und Nachbarn einladen.