„Spiegel“: Bahn hat Stuttgart-21-Kosten geschönt
Stuttgart (dpa) - Neuer Streit um die Kosten des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21: Nach einem „Spiegel“-Bericht hat die Bahn die Zahlen seit 2002 geschönt. Das gehe aus Unterlagen der Deutsche- Bahn-Töchter DB Projektbau und DB Netz hervor, berichtet das Nachrichtenmagazin.
Die Bahn wies die Vorwürfe am Sonntag postwendend zurück: Sie seien „haltlos“, der „Spiegel“ agiere mit überholten Zahlen, teilte der Konzern in Berlin mit. Es sei ein erneuter Versuch, die Öffentlichkeit zu verunsichern.
Der „Spiegel“ beruft sich auf Vermerke, Protokolle und Berechnungen aus den Jahren 2002 bis 2010. Die Dokumente legten zudem den Schluss nahe, dass bereits vor zwei Jahren bahnintern die Kosten für den Bahnhofsumbau mit weit über 4,5 Milliarden Euro berechnet wurden, heißt es. Damit hätte aber das Projekt nach den eigenen Vorgaben der Bahn beendet werden müssen.
Auch zuvor habe die Bahn den Unterlagen zufolge die Kosten gegenüber der Öffentlichkeit deutlich niedriger angegeben als intern errechnet. Ende 2002 soll die Differenz 700 Millionen Euro betragen haben, im März 2005 bereits 1,3 Milliarden Euro.
In der Öffentlichkeit sprach die Bahn damals von Kosten für Stuttgart 21 in Höhe von 2,8 Milliarden Euro. Die Projektbauer der Deutschen Bahn hätten hingegen die Kosten auf 4,1 Milliarden Euro veranschlagt. Das entsprach der Summe, die Bahn-Chef Rüdiger Grube erst über vier Jahre später als die zu erwartenden Kosten bekanntgab. Zu jenem Zeitpunkt allerdings lagen die internen Berechnungen laut „Spiegel“ schon bei mehr als 5 Milliarden Euro.
„Der DB ist es .. unerklärlich, welchen sachlichen und konstruktiven Beitrag die vom "Spiegel" veröffentlichen Unterlagen leisten sollen, die aus den Jahren weit vor 2009 stammen“, teilte die Bahn mit. Die Entwicklung der Projektkosten ergebe sich „aus der Fortschreibung der Planungsstände“. Es sei ausdrücklich die Aufgabe der Projektleitung, Veränderungen, die sich etwa durch Probebohrungen oder Volumenberechnungen ergeben, in der Kostenkalkulation zu berücksichtigen.
Baden-Württembergs Grüne riefen die Bahn am Wochenende auf, die für Mitte Juli geplante Vorstellung des Stresstests für den Tiefbahnhof zu nutzen, um auch die aktuellen Projektkosten auf den Tisch zu legen. Es entstehe der Eindruck, dass die Bahn alles versuche, um die tatsächlichen Kosten unter den Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro zu drücken, sagte Vize-Fraktionschef Andres Schwarz. „Die Salamitaktik der Bahn muss ein Ende haben.“ Grünen-Bundeschef Cem Özdemir forderte eine lückenlose Aufklärung. „Wenn sich die Schönrechnerei der Zahlen bewahrheitet, muss das Projekt neu bewertet werden“, ließ er in Berlin mitteilen.
Das Magazin „Focus“ veröffentlichte eine Umfrage, nach der die Befürworter des Milliardenbaus nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Stuttgart selbst in der Mehrheit sind. Laut einer Erhebung des Instituts für Marktforschung Leipzig seien 47 Prozent der Baden-Württemberger für den Tiefbahnhof und 34 Prozent dagegen. In Stuttgart seien 49 Prozent dafür und 41 Prozent dagegen.