Koalitionsdebatte: Leutheusser für Öffnung der FDP
Berlin (dpa) - Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat den Liberalen eine Öffnung zur SPD empfohlen. „Die FDP darf sich nicht einseitig auf die Union ausrichten“, sagte sie dem „Hamburger Abendblatt“ (Samstag).
SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte skeptisch, die CSU irritiert. Leutheusser-Schnarrenberger versicherte, die FDP sei ein verlässlicher Koalitionspartner. „Aber Fakt ist: Das Parteienspektrum verändert sich.“ Bis auf die Linkspartei orientierten sich inzwischen alle an der Mitte. „Scheuklappen helfen da nicht.“ In den Ländern hätten die Liberalen immer auch mit anderen Parteien als der Union koaliert. Schnittmengen zwischen SPD und FDP gebe es in der Außen- und Verteidigungspolitik.
Gabriel sagte der Nachrichtenagentur dpa, die FDP sei nicht mehr sozialliberal. „Das Problem ist, dass Frau Leutheusser- Schnarrenberger in ihre Partei hineinruft und kein Echo haben wird“, so Gabriel am Samstag in Berlin. Sozialliberale Zeiten seien gute Zeiten in Deutschland gewesen. „Dabei geht es aber nicht um die FDP, sondern um das, was an Politik dahinter steckt. Um den Geist für eine offene Gesellschaft, dass wir uns auch um Bildungsthemen, um den sozialen Zusammenhalt kümmern. Das haben die Liberalen früher gemacht. Das tun sie heute längst nicht mehr“, kritisierte der SPD- Chef. Die FDP habe sich „auf eine neue marktradikale Partei verengt“.
Die CSU reagierte irritiert. „Angesichts der Lage der FDP verwundern die Gedankenspiele von Frau Leutheusser-Schnarrenberger: Sie spekuliert über künftige Partner, während ihre Partei in Umfragen bei fünf Prozent steht“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, am Samstag der dpa in Berlin. „Es braucht jetzt keine Koalitionsspekulationen, sondern ordentliche Arbeit.“ Union und FDP seien sich weltanschaulich am nächsten, betonte der CSU-Politiker.
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Annette Schavan führte das anhaltende Umfragetief von Union und FDP auf mangelndes Wohlwollen und fehlendes Vertrauen innerhalb der Koalition zurück. Schavan, die auch Bundesbildungsministerin ist, kritisierte im Berliner „Tagesspiegel“ (Sonntag), in der Koalition werde zu viel übereinander statt miteinander gesprochen. „Die gute Entwicklung des Landes und die Ergebnisse unserer Politik geraten in den Hintergrund, weil es in der Koalition keinen Grundton des Wohlwollens, sondern einen Mangel an Vertrauen gibt. Das ist unsere Schwäche“, beklagte Schavan, die als Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel gilt.
Auch innerhalb der Union rumort es. Die Senioren-Union warnt die CDU-Führung nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ davor, die ethischen Fundamente der Partei zu schleifen. Im Entwurf eines Manifestes „Kultur des Lebens“ werde „mehr inhaltliche Führung und ein konkret christlich geprägtes Leitbild“ gefordert, berichtet die Zeitung.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zeigte sich skeptisch, dass die schwarz-gelbe Koalition es bis zum Ende der Legislaturperiode schaffe. Er habe bisher immer geglaubt, Union und FDP würden als „eine Art Notgemeinschaft“ bis 2013 durchhalten“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Samstag). Inzwischen habe er aber auch daran Zweifel. Bei der Abstimmung über den Europäischen Stabilitätsmechanismus im Herbst müsse die Kanzlermehrheit stehen - „oder es ist das Ende der Koalition“, sagte er.
Steinmeier betonte, die SPD sei für den Fall von Neuwahlen gerüstet: „Wenn die Regierung sich eingesteht, dass sie am Ende ist, dann werden wir vorbereitet sein. Und zwar auch personell“, sagte er auf die Frage, ob die SPD ihren Kanzlerkandidaten jetzt früher als bisher geplant benennen müsse. Zu seinen Ambitionen oder denen des früheren Finanzministers Peer Steinbrück äußerte er sich nicht eindeutig. Leutheusser-Schnarrenberger zeigte Sympathie für Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidat. Dieser sei dabei, seine Chancen auszuloten.
Grünen-Chef Cem Özdemir sieht seine Partei im bürgerlichen Lager stehen. Es gebe bürgerliche und spießbürgerliche Parteien, sagte er der „Welt am Sonntag“. Er habe nichts dagegen, wenn man die Grünen „im positiven Sinne eine bürgerliche Partei“ nenne.