Steinbrück: Der Kandidat bestimmt die Inhalte

Berlin (dpa) - SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück besteht im Wahlkampf und bei der Zusammenstellung seines Schattenkabinetts auf parteiinterner Beinfreiheit.

„Im Zweifelfall muss es immer der Kandidat sein, der festlegt, um welche Inhalte es dabei geht“, sagte der 66-Jährige am Dienstag bei einer Konferenz der Deutschen Presse-Agentur mit zahlreichen Medienvertretern in Berlin. Er wolle aber auch weiterhin gemeinsam mit dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Wahlkampf die Geschwindigkeit halten oder erhöhen.

Von Gabriels jüngstem Vorstoß für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen habe er aus der Zeitung erfahren. Er habe ihm daraufhin in einem Telefonat öffentlichen Widerspruch angekündigt. „Ich habe ihm gesagt: Du musst wissen, ich werde da gleich gegenhalten, weil ich eine Reaktivierung einer solchen Debatte, die ich seit 25 Jahren kenne, nicht für sinnvoll halte.“

Die Berufung von IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel in sein Kompetenzteam als Kandidat für das Arbeitsministerium verteidigte Steinbrück. „Mir ist ein Gewerkschafter lieber, der in der SPD die Agenda 2010 kritisiert, statt sich vom Acker zu machen“, sagte er mit Blick auf Wiesehügels Kritik an den Arbeitsmarktreformen. „Wir gucken nach vorn - und dafür ist er einer, der wichtige Impulse geben kann.“ Es gehe für die SPD auch darum, die organisierte Arbeitnehmerschaft zu gewinnen.

Auf die Frage, ob es nach der Berufung der Design-Professorin Gesche Joost in sein Team ein Ministerium für digitale Medien geben werde, antwortete Steinbrück, dies sei nicht zwingend. „Ich gebe nicht Auskunft über Ressortzuschnitte, bevor der Bär erschossen ist.“ In seinem Kompetenzteam werde es keine Besetzung nach Proporz geben: „Ost, West, Nord, Süd, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern, Mann, Frau, Alt, Jung, Links, Rechts, Oben, Unten. Das geht nicht.“ Es gehe ausschließlich um sachgerechte Lösungen nach Ausstrahlung, Autorität und Kompetenz.

Steinbrück kritisierte die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als zu eindimensional auf das Sparen ausgerichtet. „Ich halte die Dosis dieser Sparpolitik im Augenblick für manche Länder für tödlich.“ Mit Blick auf die SPD-Pläne zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent bei einem zu versteuernden Einkommen von 100 000 Euro betonte der Ex-Finanzminister, Unternehmen würden nicht stärker belastet - mit der SPD werde nicht der kalte Sozialismus aufziehen.

Im Wahlkampf gehe es darum, zu erklären, dass Einnahmen durch höhere Besteuerung Einiger unter anderem in bessere Bildung und die Sanierung maroder Straßen fließen sollten. Am Montag habe er sich zusammen mit Steinmeier mit 30 Top-Managern aus dem Verkehrsbereich getroffen, darunter Bahn-Chef Rüdiger Grube und Lufthansa-Chef Christoph Franz. „Die übereinstimmende Meinung ist, in Deutschland verfällt inzwischen Verkehrsinfrastruktur.“ Aber nicht nur da: Bei der Geschwindigkeit des Internets stehe Deutschland schlechter da als Rumänien. Hinzu komme ein katastrophales Management der Energiewende.

Nach Steinbrück standen auch die Wahlkampfmanager der im Bundestag vertretenen Parteien Rede und Antwort. Mit Blick auf die Euro-kritische neue Partei Alternative für Deutschland (AfD) betonte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe: „Kein Mensch glaubt daran, dass wir in fünf Jahren die D-Mark im Portemonnaie haben. Sondern es geht um die Frage: Welchen Euro haben wir in fünf Jahren im Portemonnaie - einen stabilen oder einen weichgespülten?“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kündigte einen Themendreiklang aus Finanzen, Familie und Sicherheit an. FDP-Generalsekretär Patrick Döring warf SPD und Grünen ein Abkassieren vor. „Leistungsgerechtigkeit oder Umverteilung: Das wird genau das Thema.“

Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sieht zwei dominante Themen: Es gehe um die Frage, wie stabil unsere Währung sei. „Aber die zweite zentrale Frage wird sein, wie wird das erwirtschaftete Einkommen, der erwirtschaftete Wohlstand in diesem Land verteilt.“ Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn zeigte sich überzeugt, dass seine Partei, die Reiche am stärksten belasten will, wieder in den Bundestag einziehen wird. „Die Linke hat schon mehrmals Steuererhöhungswahlkämpfe gemacht. Ich hab davor keine Sorge. Wir waren damit zum Teil sehr erfolgreich.“