Steinbrück und die SPD kämpfen gegen den Abwärtssog
Berlin (dpa) - Anhaltend schlechte Umfragewerte haben vor dem Bundesparteitag in Augsburg den Druck auf den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück erhöht. Im neuen ZDF-„Politbarometer“ kommt die SPD nur noch auf 27 Prozent - nochmals zwei Punkte weniger als im März.
Die Union legt um zwei Punkte auf 42 Prozent zu. Auch im Direktvergleich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fällt Steinbrück weiter zurück. Bei einer theoretischen Direktwahl würden 63 Prozent Merkel wählen, nur 27 Steinbrück. Große Defizite hat er bei den Glaubwürdigkeitswerten. Und besonders bitter: Selbst beim Thema soziale Gerechtigkeit, Kernpunkt des SPD-Wahlprogramms, erwarten die Befragten Fortschritte eher von Merkel (26 Prozent) als von Steinbrück (24 Prozent).
Steinbrücks Rede beim Parteitag am Sonntag in Augsburg wird mit Spannung erwartet - er muss neue Aufbruchstimmung erzeugen. Als Gastrednerin wird Grünen-Chefin Claudia Roth erwartet. Die Grünen sorgen sich ob der schwachen SPD-Werte um die erwünschte rot-grüne Koalition. Derzeit hätten von den realistischen Optionen nur eine große Koalition oder ein schwarz-grünes Bündnis eine Mehrheit.
Auch wenn es nur eine Nebensächlichkeit ist: Selbst mit dem Wahlkampfslogan hat die SPD Pech. Eine Leiharbeitsfirma aus Baden-Württemberg, die denselben Slogan seit 2007 nutzt, erwägt, gegen die Partei vorzugehen. „Dieser Slogan ist rechtlich nicht geschützt“, sagte Steinbrück am Freitag in Hamburg. „Hätte, hätte - Fahrradkette“, sagte er zum Vorwurf, man hätte besser recherchieren müssen.
Im Wahlkampf hat sich die SPD den Kampf gegen Missstände bei der Leiharbeit auf ihre Fahnen geschrieben. Heiko Kretschmer, Chef der Agentur „Super JK“, die für die SPD den Spruch entwickelt hatte, sagte der „Bild“-Zeitung: „Der Slogan war vor der SPD-Präsentation auf den ersten 15 Seiten von Google nicht zu finden.“
Roth forderte von der SPD mehr Einsatz: „Eines muss auch den Sozialdemokraten klar sein: Wahlkampf ist zum Kämpfen da“, sagte die Grünen-Chefin der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Berliner SPD-Chef Jan Stöß warnte vor Debatten, ob Steinbrück der richtige Kandidat sei. „Ich glaube, dass es jetzt darauf ankommen wird, die inhaltlichen Forderungen in den Mittelpunkt zu stellen“, sagte Stöß. „Noch vor einigen Jahren wäre es gar nicht denkbar gewesen, dass die SPD mit einem so linken Programm geschlossen in den Wahlkampf geht.“
In Augsburg werden keine größeren Kontroversen um das Programm erwartet. Geplant sind unter anderem ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent, eine Solidarrente von 850 Euro monatlich sowie eine Mietenbremse. Zwar kommt Steinbrück bei den Bürgerveranstaltungen im Rahmen seiner Besuche in allen Bundesländern gut an. Aber besonders bei Wählerinnen hat er nach Einschätzung von Meinungsforschern ein Defizit. Und bisher nehmen ihm viele Wähler den Linksschwenk nicht ab, den auch er vollzogen hat.
Der 66 Jahre alte frühere Bundesfinanzminister will sich aber nicht verbiegen und plötzlich etwa auf große Homestorys setzen. Die Partei versucht es vor allem mit Durchhalteparolen: „Kämpfen, kämpfen, kämpfen“, lautet das Motto. Außerdem seien es noch mehr als fünf Monate bis zur Bundestagswahl am 22. September.