Steueraffäre: Kieler Oberbürgermeisterin tritt zurück
Kiel (dpa) - Kiels Oberbürgermeisterin hat aufgegeben. Susanne Gaschke war mit vehementen Rücktrittsforderungen wegen ihres umstrittenen Steuerdeals und ihres Verhaltens danach konfrontiert. „Notwendig“, „überfällig, so kommentierten die Parteien den Rücktritt.
Die 46-jährige frühere „Zeit“-Redakteurin begründete ihren Schritt aber nicht mit ihrer umstrittenen Sachentscheidung, sondern damit, dass sie „die politischen, persönlichen und medialen Angriffe (...) nicht länger ertragen“ könne. Sie sprach von einer Hetzjagd und warf „manchen Funktionären der Landesregierung“ sowie Parteipolitikern des Rathauses vor, ihr mit Hass begegnet zu sein.
Die SPD bezeichnete den Rücktritt als schmerzlich, aber notwendig und richtig. CDU und FDP nannten die Entscheidung lange überfällig, jetzt müssten noch weiteren Hintergründe des „Steuerdeals“ innerhalb der Kieler Verwaltung, der SPD und Landesregierung aufgeklärt werden.
Zurückhaltend äußerte sich Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), der Vorgänger Gaschkes als Oberbürgermeister war: „Ich nehme mit Respekt zur Kenntnis, dass Susanne Gaschke diesen für sie sicher sehr schweren Schritt heute gegangen ist. Jetzt gilt es, zum Wohl der Landeshauptstadt den Blick nach vorne zu wenden.“
Der Hintergrund für Gaschkes Rücktritt: Sie hatte Ende Juni per Eilentscheidung an der Ratsversammlung vorbei verfügt, einem Augenarzt 3,7 Millionen Euro für Zinsen und Säumniszuschläge zu erlassen. Im Gegenzug war er bereit, in Raten 4,1 Millionen Euro Gewerbesteuern für alte Immobiliengeschäfte zu zahlen. Die Oberbürgermeisterin wollte damit eine Angelegenheit abschließen, die schon 15 Jahre lang auf Eis lag und der Stadt zumindest einen Teil ihrer Forderungen sichern.
Die Kommunalaufsicht im Innenministerium stufte die Vereinbarung vorige Woche aber als komplett rechtswidrig ein. Sie führt gegen Gaschke ein Disziplinarverfahren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen des Anfangsverdachts der Untreue in besonders schwerem Fall und gegen Kämmerer Wolfgang Röttgers wegen Beihilfe.
Gaschke gab mit ihrem Rücktritt am ersten Arbeitstag nach dreiwöchiger Krankschreibung wegen eines Bandscheibenvorfalls massivem Druck nach. Ihre Erklärung glich einer Abrechnung mit dem etablierten und aus ihrer Sicht männerdominierten Politikbetrieb. Die politische Seiteneinsteigerin war erst seit elf Monaten im Amt. Zuvor hatte sie 15 Jahre lang als Redakteurin bei der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ gearbeitet.
Sie trage politische Verantwortung, habe aber in der Sache „niemals selbst verhandelt“, erklärte Gaschke. „Ich habe nicht entschieden, dass statt zu vollstrecken (dpa: die Steuerschuld) der Weg des Vergleichs einzuschlagen sei.“ Die Ratsversammlung habe die Verwaltungsentscheidung auch „ausdrücklich nicht aufgehoben“. Trotzdem könne natürlich die Grundentscheidung ein Fehler gewesen sein. Die Stadt prüft inzwischen, wie sie den Steuererlass rechtssicher zurücknehmen kann.
Da Gaschke ihren Fall mit Vorwürfen an Regierungschef Albig und Innenminister Andreas Breitner (beide SPD) verbunden hatte, waren ihre Sympathien auch in den eigenen Reihen erheblich gesunken. Im Rathaus schloss sich der grüne Kooperationspartner von SPD und SSW den Rücktrittsappellen an. Auch auf Landesebene nahmen solche Forderungen nach der Entscheidung der Kommunalaufsicht zu. Für kommenden Donnerstag lag der Ratsversammlung ein Antrag vor, mit dem Gaschke zum Rücktritt aufgefordert werden sollte. Dafür zeichnete sich eine Mehrheit ab.