Der Anschlag von Berlin Streit um mehr Sicherheit
Von Abschiebung bis Videoüberwachung - was nach dem Attentat von Berlin alles (wieder) diskutiert wird.
Berlin. Nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin werden in der Union erneut schärfere Gesetze im Kampf gegen die Terrorgefahr gefordert. Im Mittelpunkt steht dabei der als islamistischer Gefährder eingestufte Tatverdächtige Anis Amri. Ihn hatten die Sicherheitsbehörden schon lange auf dem Schirm. Trotzdem konnte sich Amri in den vergangenen Monaten offenbar weitgehend unbehelligt in Deutschland bewegen. Folgende Maßnahmen werden jetzt diskutiert:
ABSCHIEBEHAFT: Von der CSU kommt die Forderung, die Abschiebhaft zu verlängern. Abschiebehaft kann derzeit für bis zu sechs Monate angeordnet und um höchstens ein Jahr verlängert werden. Eine weitere Verlängerung der Frist hätte im Fall Amri nichts genützt. Der 24jährige Mann saß sogar schon kurz in Abschiebehaft. Doch wegen fehlender gültiger Ausweispapiere wurde die Abschiebung nicht vollzogen. Geholfen hätte etwas anderes: Im Oktober ging bereits ein Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung, der eine "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" als neuen Haftgrund vorsieht. Damit wäre Amri nicht so leicht aus der Abschiebehaft gekommen.
SICHERE HERKUNFTSSTAATEN: Per Gesetz sind bereits die Balkanstaaten sowie der Senegal und Ghana als sichere Herkunftsländer eingestuft. Die deutschen Behörden gehen davon aus, dass dort "keine politische Verfolgung oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet". In der Praxis bedeutet das beschleunigte Asylverfahren. Derzeit liegt im Bundesrat noch ein Gesetzentwurf, der auch Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Im Bundestag wurde er bereits verabschiedet, doch in der Länderkammer blockieren ihn die Grünen. CDU und CSU fordern nun eine rasche Verabschiedung. Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus den drei Maghrebstaaten liegt nur bei rund einem Prozent. Bei dem Tatverdächtigen Amri wäre das Gesetz aber in jedem Fall zu spät gekommen. Es wurde erst im Mai vom Bundestag verabschiedet.
TRANSITZONEN: Hier geht es um eine schon ältere Forderung der CSU. Flüchtlinge sollen demnach schon vor der deutschen Grenze in Transitzentren erfasst und auf ihre Identität hin überprüft werden. Bei Ungereimtheiten würden die Betroffenen zurückgeschickt. Nicht ausgeschlossen, dass Amri dann erst gar nicht nach Deutschland gekommen wäre. Nach Ansicht der SPD sind Transitzonen aber nicht mit dem Aslyrecht vereinbar. Diesen Standpunkt bekräftigte am Donnerstag Partei-Vize Ralf Stegner.
FUSSFESSELN: In Deutschland gibt es etwa 550 islamistische Gefährder. Sie rund um die Uhr zu überwachen sei nicht möglich, sagen Sicherheitsexperten. Von der Union, aber auch von der FDP kommt deshalb die Forderung nach dem Einsatz elektronischer Fußfesseln für diese Gruppe. Gegenwärtig werden sie vor allem bei Sexualstraftätern zur Aufenthaltsüberwachung verwendet. Voraussetzung ist allerdings eine rechtskräftige Verurteilung. Im Fall Amri gibt es die in Deutschland nicht. Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat wurden eingestellt.
VIDEOÜBERWACHUNG: Gerade erst hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum auf den Weg gebracht. Daraus erwächst aber keine Verpflichtung, etwa am Berliner Breitscheidplatz, dem Ort des blutigen Anschlags, Video-Kameras anzubringen. Die Entscheidung bleibt Ländersache, und der neue rot-rot-grüne Senat in Berlin hat sich in seiner Koalitionsvereinbarung ausdrücklich gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung ausgesprochen. Nach der Vorlage des Bundeskabinetts kann aber künftig der private Betreiber zum Beispiel eines Weihnachtsmarktes für die Dauer der Veranstaltung eine Videoüberwachung vornehmen. Straftaten ließen sich damit zwar nicht verhindern, aber womöglich schneller aufklären.