Stuttgart 21: Bahn geht in die Charmeoffensive
Konzernchef Grube demonstriert vor der Abstimmung guten Willen. Er will für eine Abrisspause aber Geld vom Land.
Stuttgart. Bahnchef Rüdiger Grube überrascht die Gegner von Stuttgart 21 mit einer kleinen Versöhnungsgeste: Der Südflügel des Stuttgarter Bahnhofs kann später abgerissen werden, erst nach der Volksabstimmung über das Großprojekt. „Wir wollen ja niemanden unnötig provozieren“, sagte Grube der „Süddeutschen Zeitung“. Vor kurzem hatte Projektsprecher Wolfgang Dietrich noch die Forderung nach einer Verschiebung des Abrisstermins zurückgewiesen. Was steckt hinter dem Kurswechsel?
Voraussichtlich am 27. November werden die Baden-Württemberger dazu befragt, ob das Land aus der Finanzierung des 4,1 Milliarden Euro teuren Projektes aussteigen soll. Wenn der Südflügel zuvor weichen müsste, könnte sich die Bahn einen heißen Herbst einhandeln. Denn der Abbruch würde sich über Wochen hinziehen und den Konflikt schüren. Die Stimmung könnte sich wieder gegen das Bahnprojekt drehen und das Ergebnis der Abstimmung beeinflussen.
Laut Umfragen unterstützt derzeit eine Mehrheit der Bürger im Südwesten Stuttgart 21, ist also für den Bau eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs. Gut 15 Prozent gelten aber noch als unentschieden. Taktiker Grube könnte dieses Resultat in sein Kalkül einbezogen haben.
Nach Angaben der „Parkschützer“, einer Aktivistengruppe gegen Stuttgart 21, machen Schwierigkeiten beim Bau des Nesenbach-Dükers der Bahn ohnehin einen Strich durch den Zeitplan: Für die schwierige Umleitung des Bachs unter dem Tiefbahnhof-Trog fänden sich keine Firmen. „Insofern tut das Einlenken von Grube der Bahn gar nicht weh“, meint Parkschützer-Sprecher Matthias von Herrmann.
Projektsprecher Dietrich betont, dass es keinen bedingungslosen vorübergehenden Baustopp am Südflügel gebe. Das Land müsse für finanzielle Nachteile aufkommen, die eine Verschiebung mit sich brächten. Doch das ist nicht absehbar. Aus dem Verkehrsministerium heißt es, der Südflügel müsse ohnehin noch nicht abgerissen werden. Daher sei Grubes Entgegenkommen kein besonderes Geschenk — und Bedingungen will das Land nicht akzeptieren.