Täter von Grafing hatte wohl psychische Probleme
Grafing. An einem S-Bahnhof bei München hat es einen Messerangriff gegeben. Der 27-jährige Angreifer habe am frühen Dienstagmorgen am S-Bahnhof Grafing wahllos um sich gestochen und dabei vier Menschen attackiert, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft München II, Ken Heidenreich.
Ein 50 Jahre alter Mann aus Wasserburg starb kurze Zeit nach dem Angriff an den Folgen seiner schweren Verletzungen im Krankenhaus.
Der Angreifer hatte nach ersten Ermittlungen offenbar psychische Probleme und auch Drogenprobleme. Das teilte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München mit. Die Staatsanwaltschaft zweifelt an seiner Schuldfähigkeit. Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich sagte, die bisherigen Aussagen des Mannes seien „verwirrend“. Er solle am Mittwoch dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Ihm wird Mord sowie versuchter Mord in drei Fällen vorgeworfen.
Die Tat ereignete sich nach Angaben der Ermittler gegen 05.00 Uhr am Dienstagmorgen. Der mutmaßliche Angreifer soll nach den Worten eines Sprechers des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord zunächst in der S-Bahn das später verstorbene Opfer niedergestochen haben. Anschließend soll er auf dem Bahnhofsgelände die drei weiteren Männer attackiert haben, darunter zwei Radfahrer. Laut dem "Spiegel" hatten die Radfahrer zuvor mitbekommen, dass es eine Gewalttat gegeben hatte und wollten helfen, als der Täter sie attackierte. Bei den Angriffen nutzte der Täter ein Messer mit einer zehn Zentimeter langen Klinge.
Der Täter sei anschließend von Bahnmitarbeitern in die Flucht geschlagen worden. Ein Angestellter folgte dem Angreifer bis in die Stadt gefolgt, so dass die Polizei ihn festnehmen konnte. Er soll keinen Widerstand geleistet haben und war barfuß unterwegs.
Dem Sprecher der Staatsanwaltschaft zufolge handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 27 Jahre alten Deutschen. Dieser stamme nicht aus München oder der Umgebung und soll bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten sein. Wie ein Sprecher des bayerischen Landeskriminalamts sagte, stammt der Angreifer aus Hessen. Er sei in Deutschland geboren worden und habe keinen Migrationshintergrund.
Vermutungen, dass die Tat einen politisch motivierten Hintergrund hat, verdichteten sich nicht. Laut dem Magazin "Spiegel" habe der mutmaßliche Täter "Allahu-Akbar" ("Allah ist groß") und "Ihr Ungläubigen" gerufen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) brachte vor Journalisten eine mögliche "Verwirrung wegen Drogenabhängigkeit" ins Gespräch.
Nach Angaben von Kriminaldirektor Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt ist unklar, ob der Angreifer zur Tatzeit unter Drogeneinfluss stand. Der Mann habe selbst angegeben, Drogen konsumiert zu haben. Laut Köhler gibt es Hinweise, dass der 27-Jährige vor zwei Tagen im Raum Gießen Drogen konsumiert habe und dass dies mit ein Grund für seine Verwirrtheit sein könnte. In jüngster Zeit habe der Mann Cannabis konsumiert, sagte Köhler. Er wisse aber nicht, welche Drogen der Mann in Hessen genommen habe. Es sei bisher kein Strafverfahren gegen ihn im Zusammenhang mit dem Besitz von Betäubungsmitteln bekannt.
Bei dem Messerstecher gibt es nach bisherigen Ermittlungen keine Erkenntnisse über eine politische Radikalisierung. Weder aus dem Staatsschutzbereich noch von Nachrichtendiensten gebe es Hinweise darauf, dass der Täter „in irgendeiner Form“ Bezüge zu islamistischen, salafistischen Gruppierungen oder Personen gehabt habe, sagte Kriminaldirektor Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass etwa Videos zur Radikalisierung des 27-Jährigen beigetragen hätten.
Bei den Opfern des Angriffs handelt es sich laut Polizei um vier Männer. Die Verletzten sind 58, 55 und 43 Jahre alt. Neben dem getöteten Opfer erlitt ein weiterer Mann schwerste Verletzungen. Zwei weitere Opfer wurden leichter verletzt.
Der Polizeieinsatz auf dem Bahnhofsgelände hatte teils erhebliche Auswirkungen auf den S-Bahnverkehr. Die Polizei sperrte den Tatort, Züge mussten umgeleitet werden. Die Ermittler wollen im Laufe des Tages weitere Details zum Tathergang und den Hintergründen veröffentlichen.
Die Erste Bürgermeisterin von Grafing, Angelika Obermayr, hat geschockt auf die Messerattacke in ihrer Stadt reagiert. „Wir sind ein absolut friedliches oberbayerisches Kleinstädtchen im Münchner Umfeld“, sagte sie am Dienstag dem Sender n-tv. „So was ist absolut neu und erschüttert hier die Menschen wirklich zutiefst, die so was halt nur aus dem Fernsehen kennen“, sagte sie. „Aber dass das hier vor Ort passiert, das ist absolut unfassbar.“ dpa/afp/red