Union und SPD für rasche Finanzsteuer
Berlin (dpa) - Der amtierende Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verabschiedet sich offensichtlich von dem Ziel, 2015 mit dem Abbau von Schulden zu beginnen. Das Ministerium verwies zwar auf den angestrebten dauerhaften Verzicht auf neue Kredite.
Priorität soll aber die Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung haben. Das dürfte ein Hinweis auf eine gewisse Lockerung des Sparkurses sein. Vor dem Auftakt der Koalitionsverhandlungen zu den Finanzen betonten am Montagabend SPD-Politiker von Bund und Ländern, die Union müsse nun mögliche Verteilungsspielräume offenlegen.
Bei der Bankenregulierung in Europa erzielten beide Seiten bereits erste Ergebnisse. Die Unterhändler verständigten sich am Abend nach dpa-Informationen darauf, dass sich eine schwarz-rote Koalition für die rasche Einführung der Finanztransaktionssteuer einsetzen wird. Angestrebt werde ein niedriger Steuersatz bei einer gleichzeitig breiten Bemessungsgrundlage, hieß es. Deutschland und zehn weitere EU-Länder waren grundsätzlich für die umstrittene Abgabe auf Börsengeschäfte. Die Verhandlungen in Brüssel stocken aber seit langem. Grund dafür sind auch rechtliche Bedenken.
Bei der Bankenregulierung und der weiteren Euro-Politik wollten Union und SPD bereits am Montag Grundpositionen erarbeiten, sagte der Verhandlungsführer der Union für den Bereich Banken, der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul, der dpa. So erwarte die große Koalitionsrunde mit den Parteispitzen für ihre Sitzung an diesem Mittwoch Vorlagen. Es gebe keine größeren Differenzen, verlautete aus Verhandlungskreisen. Die Sparkassen warnten vor den negativen Folgen für Kleinsparer durch eine Steuer auf Finanzgeschäfte.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte am Abend in Berlin, einen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt für Maßnahmen werde seine Partei nicht akzeptieren können: „Für die Dinge, die uns wichtig sind, wie zum Beispiel die Finanzierung der Infrastruktur, werden wir schon einen hohen Grad an Verbindlichkeit einfordern müssen.“ Ähnlich äußerten sich die SPD-Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Norbert Walter-Borjans und Carsten Kühl. Ob auf Steuererhöhungen verzichtet werden könne, werde sich zeigen.
Der finanzielle Spielraum für eine schwarz-rote Koalition bis 2017 könnte sich vergrößern, da die Steuereinnahmen dank der Wirtschaftsentwicklung höher ausfallen dürften als zuletzt geschätzt. Bisher hat Schäuble im Bundesetat bis 2017 Überschüsse von insgesamt 15 Milliarden Euro unterstellt. Nach dem Entwurf für den Finanzplan will der Bund 2015 ohne neue Schulden auskommen - erstmals seit 1969. Dann wollte er auch mit dem Schuldenabbau beginnen.
Schäuble wollte in den Koalitionsverhandlungen einen dauerhaften Verzicht auf neue Schulden sowie eine Absage an Steuererhöhungen erreichen. In einem Interview hatte er jedoch angedeutet, dass eine niedrigere Schuldenquote Vorrang habe. Schäubles Sprecher Martin Kotthaus sagte dazu: „Das ist die maßgebliche Größe um zu beurteilen, wie gut steht ein Staat da.“ Auch die Kreditwürdigkeit eines Landes orientiere sich daran. Über die Verwendung der ab 2015 erwarteten Überschüsse entscheide letztlich das künftige Regierungsbündnis.
Der CDU-Wirtschaftsrat hielt dagegen: „Alle unsere Anstrengungen sollten darauf abzielen, ab 2015 den Schuldenberg abzubauen ...“, sagte sein Vorsitzender Kurt Lauk der „Bild“-Zeitung (Montag). Auch Carsten Linnemann, der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, mahnte: „Rückzahlung von Schulden muss das große Ziel dieser Koalition bleiben.“