Unions-Politiker murren über Visumfreiheit für Türken
Berlin (dpa) - Der geplante Wegfall der Visumpflicht für Türken stößt bei führenden Politikern von CDU und CSU auf Widerstand: „In der Fraktion gibt es nach wie vor erhebliche Bedenken gegen die Visafreiheit, weil sie zu einer nicht unerheblichen Ausweitung der irregulären Migration führen könnte“.
„Deshalb brauchen wir sowohl ein zentrales Ein- und Ausreiseregister als auch eine Art Notbremse für den Fall, dass die illegale Einwanderung tatsächlich deutlich ansteigen sollte“, sagte der CDU-Innenexperte im Bundestag, Wolfgang Bosbach, der „Passauer Neuen Presse“.
Die EU-Kommission hatte die Aufhebung der Visumpflicht am Mittwoch unter dem Vorbehalt empfohlen, dass die Türkei einige verbliebene EU-Bedingungen erfüllt. Zieldatum für die visafreie Einreise in die EU ist Ende Juni. Zuvor müssen die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen.
Skeptisch äußerte sich auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer: Nach der Stellungnahme der Kommission bestehe die große Gefahr, dass die Visafreiheit nur als politische Frage und nicht als Sachfrage behandelt werde. Es dürfe aber keine politischen Zugeständnisse geben, sagte der CSU-Politiker der „Passauer Neuen Presse“. Dies gelte wegen Sicherheitsrisiken, aber auch, um keine falsche Anreize bei anderen Ländern wie etwa in der Ukraine zu entfalten.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lehnt die Visumfreiheit rundheraus ab, wie er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte. Er erinnerte an die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken am Ostersonntag in Aschaffenburg. „Wir wollen solche Konflikte nicht in unserem Land haben.“ Außerdem sei schon bei den Balkanstaaten zu erleben gewesen, „dass mit der Einführung der Visafreiheit die Asylantragszahlen aus diesen Ländern in die Höhe geschnellt sind“. Der CSU-Politiker betonte zugleich, er habe zwar nichts gegen Visaerleichterungen für türkische Geschäftsleute. Allerdings benötige auch jeder Deutsche, der in die USA reise, ein Visum - und das tangiere die deutsch-amerikanische Freundschaft überhaupt nicht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt darauf, dass die Türkei die restlichen Bedingungen für die angestrebte Visumfreiheit umsetzt. „Ich glaube, dass angesichts der Fortschritte, die die Türkei in den anderen Punkten gemacht hat, eine realistische Chance besteht, dass auch die noch offenen Punkte erfüllt werden“, sagte Merkel am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung.
Derzeit sind noch 5 von 72 EU-Auflagen für die Türkei offen. Merkel hob insbesondere den Datenschutz und neue Terrorismusgesetze hervor.
Die Kanzlerin nannte es einen „großen politischen Schritt“, dass die Türkei die Visumfreiheit aller EU-Bürger inklusive Zyperns zugesagt habe. Auch vor diesem Hintergrund wolle sie „jetzt keine Gefahren diskutieren“, sondern auf ein gegenseitiges Einhalten der Zusagen setzen, um die Glaubwürdigkeit des gesamten EU-Türkei-Abkommens zu stärken.